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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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in den nächsten Tagen zurückkommen sollte, dann mußt du sie warnen! Sie sollte eure Wohnung lieber gar nicht erst betreten und auf keinen Fall ohne Eskorte ihre Arbeitsstelle aufsuchen. Am besten, ihr verschwindet alle nach Italien!«
    Er mochte recht haben. Cora wollte sowieso am nächsten Tag zurückfliegen, vielleicht war es auch für mich an der Zeit aufzubrechen. Wenn es sogar ihr auffiel, daß ich mich zuwenig um mein Kind kümmerte, wurde es höchste Eisenbahn.
    Mit der gleichen forschen Zielstrebigkeit, die Cora gerade an den Tag legte, wollte ich mich sofort bei ihren Eltern anmelden, denn Heidelberg sollte die erste Station meiner Heimreise werden, doch es nahm niemand ab. Bei Jonas mußte ich mich nicht unbedingt ankündigen, denn es war fast ausgeschlossen, daß eine Bauernfamilie in der Erntezeit verreiste.
    Wir waren erst bei der zweiten Tasse Tee, als das Telefon klingelte. Da der Apparat immer noch vor mir stand, nahm ich das Gespräch entgegen und erwartete eigentlich Kathrins Geplapper.
    »Felix, deine Großmutter«, sagte ich und übergab ihm den Hörer.
    Bei ihren Worten wurde er sichtbar blaß, rief: »Ich komme sofort« und sprang auf. Es gehe mit seinem Großvater zu Ende, sagte er, nun müsse er seine Oma auf der Stelle ans Sterbebett bringen.
    Cora meinte: »Was dagegen, wenn ich mitkomme?
    Schließlich ist es auch meine Großmutter.« Fast schwang ein gekränkter Ton in ihren Worten mit.
    Als Andy mit dem Hund im Schlepptau hereinkam, war ich allein. Obwohl er wie immer ziemlich müde wirkte, beugte er sich über mich, küßte meinen Scheitel und machte mir ein Angebot: »Ich muß mich unbedingt ein bißchen aufs Ohr legen, denn es war eine anstrengende Schicht. Eine Schmusekatze im Bett wäre mir lieber als der alte Köter...«
    Ich folgte ihm. Wenn man von seinen Füßen einmal absah, verströmte Andy einen unschuldigen Geruch nach Kinderschweiß, den ich mochte. Bevor er in allzu festen Schlaf sinken konnte, fragte ich: »Hast du nicht neulich erwähnt, daß man dir schon alle Arten von Drogen offeriert hat?«
    Er gähnte. »Wenn man zur rechten Zeit am richtigen Platz steht und außerdem ein paar Scheine in der Tasche hat, sollte das kein großes Problem sein. Was hast du denn damit vor?«
    Schon beim Ausziehen hatte ich mir eine plausible Erklärung zurechtgelegt, nämlich Pollys Geschichte in leichter Abwandlung: Eine frühere Schulfreundin von Cora hätte trotz Fixerkarriere ein leidlich gesundes Baby geboren und starte nun den Versuch, endlich vom Heroin loszukommen.
    Aus Sicherheitsgründen müsse Polly das Methadon in Gegenwart eines Sozialarbeiters einnehmen, und das mache einen Urlaub unmöglich. Wir hätten sie gern nach Florenz eingeladen, weil ihr ein kurzer Tapetenwechsel sicherlich guttäte und motivierend wirke.
    Nachdem ich uns derart zu Samariterinnen hochgejubelt und dabei Andys Strähnen liebevoll entwirrt hatte, waren seine Skrupel fast beseitigt. »Ich denke, das kann man verantworten«, sagte er, »reichen 20 Milligramm pro Tag?
    Aber du solltest wissen, daß Methadon und auch DHC körperlich schädigen können. Sagtest du gerade, sie hieße Polly? Ein Kollege von mir war einmal mit einer gewissen Polly Wacker zusammen, einer ganz scheinheiligen Ratte, aber die wird bestimmt nicht eure Freundin sein. Im übrigen hat Cora ja reichlich Kohle, wie man hört... «
    Sofort füllte ich den ersten ihrer Schecks großzügig aus.
    »Wenn genug Geld übrigbleibt, kannst du das Auto von Max wieder verkehrstauglich machen lassen. Hat Cora dich eigentlich schon einmal vernaschen wollen?« fragte ich.
    Er schien überrascht zu sein, brummte: »Wie kommst du denn darauf?« und schlief bald darauf ein.
    War es Liebe, die wir für einander empfanden? Ehrlicherweise gestand ich mir ein, daß wir auf gegenseitigen Trost angewiesen waren. Das Leben schien uns beiden wie eine wacklige Leiter zu sein, die durch einen kräftigen Windstoß oder einen Bösewicht rasch umgestoßen werden konnte.
    Etwas später stahl ich mich aus seinem Zimmer. Für mich war es noch viel zu früh fürs Bett, außerdem wollte ich auf die anderen warten. Es dauerte auch nicht allzu lange, bis Cora und Felix wieder heimkamen. Ich forschte in ihren Gesichtern. »Er lebt noch«, sagte Cora, »ist aber nicht bei Bewußtsein.«
    »Im Grunde hat mein Großvater schon vor ein paar Tagen von mir Abschied genommen; er wußte, daß es bald soweit ist«, behauptete Felix.
    Cora wurde neugierig. »Was hat er

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