Selige Witwen
hervorginge, ob Sven auch im Wagen gesessen hätte, wahrscheinlich aber nicht.
»Er hatte auch gute Seiten«, begann Kathrin ihre Totenklage, »an Weihnachten hat er jedes Jahr für UNICEF gespendet.
Mein Gott, wie toll sah er im Smoking aus!«
»Er wollte nach Darmstadt...«, fiel ich Kathrin ins Wort.
»Verstehst du nicht, er wollte uns schon wieder an den Kragen!«
Cora ging an die Zimmerbar und prüfte die Fläschchen.
»Kommt Mädels, jetzt geb' ich erst mal einen aus. Vielleicht sind ja durch Eriks Abgang alle Probleme gelöst.« Dann fiel ihr Blick auf Pu. »Okay, okay, keiner muß hungern und frieren. Unsere Sister soll sich auch bald als lustige Witwe die Hände reiben.«
Als Kathrin den zugeteilten Schnaps gekippt hatte, wirkte sie befreiter. »Wie verhalte ich mich jetzt am geschicktesten?« wollte sie wissen. »Soll ich bei der Polizei anrufen und fragen, ob es sich bei dem Verunglückten wirklich um meinen Mann handelt?«
Cora nickte. »Um glaubwürdig zu wirken, würde ich nicht lange damit warten. Sag in verstörtem Ton, du hättest gerade eben die Nachrichten gehört. Dann solltest du aber laut losplärren, ist das klar?«
Wir rätselten, ob Kathrin die Leiche identifizieren mußte.
Im übrigen konnte sie ruhig zugeben, daß sie von ihrem Mann getrennt lebte, denn dann erwartete man keine Reaktion, zu der sie eventuell nicht fähig war.
Beim zuständigen Polizeipräsidium bekam Kathrin die Auskunft, daß der Tote mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihr Mann sei. Einer der Rettungssanitäter habe Erik erkannt, außerdem liege der Personalausweis mit einem aktuellen Foto vor. Dennoch könne man ihr die traurige Pflicht nicht ersparen...
Sie bekam einen Termin für den nächsten Morgen.
»Ich fürchte, wir müssen wieder auf dem Zimmer essen«, meinte Cora, »wir sollten uns lieber nicht zu viert in der Öffentlichkeit zeigen. Auf welche Schmankerln habt ihr Lust?«
Sie las uns vor, was der Roomservice zu bieten hatte. Pu, die fleißig an Coras Mantelsaum nähte, überraschte uns mit zwei deutschen Wörtern. Offensichtlich hatte Kathrins Unterricht Wunder gewirkt.
»Ich essen same-same Miss Maja!« sagte sie, als ich mich für pochierten Lachs mit Kartoffelgratin und Rucola entschied.
Wir klatschten Beifall. Eigentlich war es ein Rätsel, daß Pu von ihrem Mann bisher kein Wort Deutsch gelernt hatte, obwohl sie angeblich schon seit vier Jahren in Frankfurt lebte.
»Sie ist hochbegabt«, sagte Kathrin. »Ich habe ihr eine Stunde lang Vokabeln eingetrichtert, die sie alle sofort behalten hat. Aber sie erzählte mir, daß Sven kaum je mit ihr gesprochen hat. Ihr armseliges Englisch lernte sie in einem thailändischen Bordell von einer Mama-San - einer Puffmutter. Hier in Frankfurt wurde sie wie eine Arbeits- und Sexsklavin gehalten und eingeschlossen, wenn ihr Mann das Haus verließ. Kontakte zur Außenwelt waren ihr nicht möglich. Als sie einmal einen Fluchtversuch wagte, wurde sie sofort wieder eingefangen und eine Woche lang im Keller eingesperrt. Als sie ein anderes Mal die neu eintreffenden Thailänderinnen warnte, wurde sie ausgerechnet von einer Leidensgenossin verraten; die Strafe fiel noch brutaler aus.«
»Schade, daß sie sich nicht gleich nach ihrer Ankunft bei der Volkshochschule einschreiben durfte«, sagte ich bedauernd und erfuhr, daß auch jene Anmeldung zum Deutschkurs nur ein Vorwand war, um Kathrin in Eriks Auftrag nachzuschnüffeln.
»So ein Saubeutel«, sagte Cora, »dem gehört die Rübe abgehackt. Wenn es einer verdient hat, dann der! Immerhin sollte sich die Sache mit den Bildern durch Eriks Tod erledigt haben. Ohne Befehl und auf eigene Rechnung treten seine Gorillas wohl kaum in Aktion. Und von Kunst verstehen die sowieso nichts.«
Am nächsten Vormittag war es Kathrin, die früh aufstehen mußte. Im Taxi fuhr sie zum Gerichtsmedizinischen Institut, um sich dort pflichtgemäß ihren toten Mann präsentieren zu lassen. Wie sie hinterher berichtete, fiel ihr das Heulen nicht schwer. Man habe ihr verschiedene Fragen gestellt, die sie mühelos beantworten konnte; unter anderem habe sie ausgesagt, daß sie seit einiger Zeit getrennt lebten, daß Erik mit seinem Freund Frühsport treibe und deswegen einen Jogginganzug getragen habe und so weiter. Im nachhinein erfuhr sie, daß man bereits Eriks Sekretärin befragt habe, die zum Glück die gleichen Auskünfte gegeben hatte.
Darüber hinaus wollte man wissen, ob Kathrin eine Obduktion wünsche, denn
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