Selige Witwen
leuchtenden Augen vom Schwitzkistl zurückgekehrt sind? Ich möchte wetten, sie sind gut bedient worden.
Aber vorher wird das Maul aufgerissen!«
»Mein Gott, sei doch zufrieden, daß sie uns diesen Gefallen getan haben! Ich hätte mich bei aller Liebe nicht von Max auf den Strich schicken lassen«, wandte ich ein.
»Das ist ein besonders schwachsinniger Vergleich«, meinte Cora. »Aber mich beschäftigt etwas anderes: Findest du nicht auch, daß Kathrin wie eine spießige Tunte reagiert hat?«
Ich stimmte Cora zu.
In einer Buchhandlung kauften wir ein Thai-Wörterbuch, Kreuzworträtselhefte und ein Bilderbuch für Béla, dann widmeten wir uns der Auswahl erlesener Leckerbissen.
Während Cora und ich im Hotelbad schwimmen gingen, deckte Pu diensteifrig eines der großen Betten für ein Picknick auf Papptellern. Da Messer und Gabel fehlten, mußten wir nach Art der Römer essen, fielen wie eine ausgehungerte Kohorte über Parma-Schinken und alten Gouda, Wildleberpastete mit Cumberlandsauce, frisches Weißbrot und Oliven her. Dazu schlürften wir endlich Champagner.
Kathrin trank hastig und viel. Erfolglos versuchte sie, ihre sonst so gelehrige Schülerin mit Zungenbrechern wie »Fischers Fritze fischt frische Fische« zu malträtieren.
»Das ist unfair«, tadelte Cora. »Zeig erst mal selbst, was du kannst! Zum Beispiel: Blaukraut bleibt Blaukraut, und
Brautkleid bleibt Brautkleid!«
Kathrin scheiterte kläglich, und zum ersten Mal hörten wir Pus piepsige Stimme in schadenfrohes Kichern ausbrechen. Auch ich konnte zur allgemeinen Heiterkeit beitragen, denn ich erinnerte mich an einen englischen tongue-twister, den mir ein gewisser Don, ein Anhalter aus Neuseeland, beigebracht hatte. »She sells sea shells by the sea shore. The sea shells that she sells are sea shells for sure.«
Als unsere zwei Kleinen sich ausgetobt hatten und eingeschlafen waren, warf ich die leeren Flaschen in den Papierkorb, lüftete, strich die Krümel vom Bett und begann mich auszuziehen.
»Halt, Maja«, sagte Cora, »hast du vergessen, daß es jetzt ernst wird? Du wolltest doch heute nacht...«
»Wer wollte was?« fragte ich argwöhnisch.
»Stell dich nicht dümmer, als du bist. Wir fahren jetzt zu Hilter.«
Tausend Ausreden fielen mir ein. »Du kannst erst morgen wieder Auto fahren«, versuchte ich es, »du hast zuviel Promille!«
Das war ein Gesichtspunkt, den Cora stets gelten ließ, denn sie hatte vor etwa einem Jahr eine Zeitlang auf ihren Führerschein verzichten müssen.
»Dann fährst du eben«, kommandierte sie, obwohl ich sicherlich ebensoviel getrunken hatte.
Ich erhob sofort Protest: »Ohne Methadon macht es doch überhaupt keinen Sinn.«
Da dieses Argument kaum zu entkräften war, meinte sie: »Wir können es uns nicht leisten, unsere Zeit zu vergeuden; ich will die Sache endlich abschließen. Die drei Darmstädter Musketiere sind Hosenscheißer, von denen ist wenig Hilfestellung zu erwarten, und mit Polly, dieser Schnecke, hatten wir totales Pech. Also müssen wir wohl oder übel das Kind alleine schaukeln. Wir nehmen uns jetzt ein Taxi und fahren zum Bahnhof. Da werden wir ja wohl Methadon auftreiben können.«
Ich meinte gelesen zu haben, daß dort schon lange nicht mehr gedealt wurde.
»Dann versuchen wir eben unser Glück auf der Zeil«, sagte Cora. »Nach Mitternacht soll dort jeder zweite Passant ein Dealer sein.«
Woher sie das wissen wollte, war mir zwar nicht klar, aber ich folgte ihr todunglücklich.
Wenn ich nun hoffte, Cora hätte auf einer belebten Flaniermeile keinerlei Chancen, so täuschte ich mich. Zielsicher suchte sie sich den richtigen Ansprechpartner aus, einen grauhaarigen Mann in Lederkleidung, den sie zuvor im Gespräch mit einem Strichjungen beobachtet hatte. Zwar trug er keinen Bauchladen mit sich herum, führte uns aber ein paar Straßen weiter in einen zwielichtigen Hintereingang, wo wir auf ihn warten sollten.
»Cora«, zischte ich, »noch können wir abhauen. In ein paar Minuten hast du vielleicht kein Portemonnaie mehr in der Handtasche, sondern ein Messer im Bauch!«
Meine Warnung war unbegründet; der Handel erfolgte zügig. Wie von einem höflichen Metzger wurden wir gefragt, ob es ein bißchen mehr oder sonst noch etwas sein dürfte. Dann verschwand der fremde Mann blitzschnell von der Bildfläche, bevor mir richtig klar wurde, daß Cora bei gleicher Menge fast doppelt soviel wie Andy bezahlt hatte.
Entrüstet über die ungerechte Behandlung brüllte sie hinter dem
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