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Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Titel: Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Thiele
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dass den alten Anders Bergmark, Kristers Vater, mit Lukes Mutter eine wenn auch weit entfernte Verwandtschaft verband, lieferte wohl den Grund, den Waisenknaben aufzunehmen. Ich weiß noch wie Krister Rob und mir an einem dieser ersten heißen Frühlingstage vor acht Jahren – ja, es mussten wohl jetzt acht Jahre her sein – davon berichtete. In einem Nebensatz. Völlig beiläufig.
    „Es wird höchste Zeit, mein eigenes Haus zu bauen“, hatte er uns eröffnet. „Zuhause bleibt langsam keine Luft mehr zum Atmen. Glaubt ihr das? Jetzt nehmen sie auch noch einen Waisenjungen auf. Als verfügte das Haus über unbegrenzten Raum. Ich fasse es nicht!“
    „Einen Waisenjungen?“ fragte Rob, seine Arbeit für einen Augenblick unterbrechend. Sintflutartige Regenfälle in den letzten Tagen hatten den befestigten Weg vom Dorf hinunter zur Küste fortgewaschen und nun lag es an uns, diesen wieder einigermaßen instand zu setzen. Zu diesem Zweck hatten wir Kies in rauen Mengen zusammengetragen.
    „Unglaublich, nicht wahr? Es wird wirklich höchste Zeit, auf eigenen Füßen zu stehen. Ich muss da raus.“
    „Wer ist es?“ wollte Rob wissen. Es war zwar nicht so, als kannten wir uns bestens mit der Bevölkerung der Siedlung aus, aber auch meines Wissens nach gab es keine Waisenkinder in Stoney Creek.
    „Ach, irgend so ein Bübchen aus der fernen Verwandtschaft. Er ist gestern mit dem Treck aus Cape Travis angekommen. Seine Mutter und mein Vater sind über viele Ecken miteinander verwandt. Na ja, Lukas’ Eltern sind gestorben, ganz kurz hintereinander. Die in Van Dien wussten nicht, wohin mit ihm.“
    „Van Dien? Sagtest du nicht, er käme aus Cape Travis?“
    „Ja, ursprünglich kommt er aus Van Dien, Jack.“
    Zwischen Stoney Creek, Cape Travis, Van Dien, Lake Sawyer und Willer, den fünf letzten von Menschen noch besiedelten Ortschaften, bestanden lockere Handelsverbindungen. Man handelte mit Salzfisch, Pökelware, Häuten und Fellen, Bauholz, Molkereiprodukten, Tee, Wein und manch anderen Erzeugnissen, die in einer Ecke Aotearoas rar waren, in einer anderen dafür im Überfluss vorkamen. In den letzten Jahren war dieser Handel wieder stark aufgeblüht, vor allem als mit der erfolgreichen Wiederbesiedelung von Willer die Menschen wieder Zugang zu einem großen Binnengewässer bekamen. Die Nachfrage nach delikaten Süßwasserfischen, Flusskrebsen, Chigalon und vielerlei anderen im Norden des Landes nicht oder nur selten zu erwerbenden Produkten stieg sprunghaft an. So schlossen sich Kaufleute und Händler zu einem Treck zusammen, der in unregelmäßigen Abständen zwischen den fünf Siedlungen hin und her pendelte. Da auf Gondwana keine Pferde mehr existierten (sie waren im Großen Krieg so stark dezimiert worden, dass die Art wenig später ausstarb), wurden nun Ochsen vor die Wagen gespannt.
    Mit dem ersten Treck im Frühling des Jahres 614 erreichte der damals zehnjährige Lukas Eastley seine neue Heimat, das kleine Fischerdorf Stoney Creek am nordwestlichen Ende Avenors. Seinem entfernt verwandten Onkel, Kristers Vater, war dies von Anfang an nicht recht. Er sah sich gezwungen, den Jungen bei sich aufzunehmen und ließ seinen Unmut darüber bei jeder sich bietenden Möglichkeit an ihm aus.
    Luke blieb nicht viel Zeit, sich in sich zu vergraben und den Tod seiner Eltern zu betrauern. Von der ersten Sekunde an sah er sich mit Arbeit überhäuft. Unmittelbar nach der Ankunft fand er sich bereits auf den Feldern beim Umgraben und Beackern des (teilweise noch gefrorenen) Bodens wieder. Schwere körperliche Arbeiten wie das Fahren mit dem Kuhgespann (anfangs noch unter Kristers Aufsicht) und das Beladen des Wagens gehörten schon früh zu seinen Aufgaben. Schon im ersten Herbst wurde ihm das Mahlen von Korn aufgetragen, eine überaus anstrengende Arbeit für einen noch nicht einmal elfjährigen Knaben. Steine fahren, Roden, Pflügen, Ernten und das Vieh hüten waren ebenso Teil seiner unerschöpflichen Pflichten wie das Umgraben von Torfmoor auf der Suche nach Sumpferz, das zu Roheisen geschmolzen wurde, einem überaus kostbaren und weit begehrten Material, das vor allem für die Produktion von Nägeln, Nieten und Werkzeugen Verwendung fand. Wahrscheinlich hätte der alte Anders Bergmark seinen ungewollten und ungeliebten jungen Anverwandten zu Tode schuften lassen, würden nicht hin und wieder Krister und dessen Mutter mäßigend eingegriffen haben.
    Eines Abends im Spätherbst kehrte der Junge nicht nach Hause zurück.

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