Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
auserkoren hatte, ließ ich mich nieder und zog Pergament und Tinte hervor, um mich an meine tägliche Niederschrift zu machen.
Mittlerweile hatte ich eine ganze Chronik wieder hergestellt. Die Geschichte von Richard Löwenherz hatte mir sogar Vergnügen bereitet. Nicht weil sie so glücklich für den König der Angelsachsen ausgegangen war, sondern weil sie zeigte, dass jegliche Anstrengung vergebens ist, wenn man nicht über das Wohlwollen der Götter verfügte.
Nun saß ich an meiner Beschreibung der Ereignisse um Akkon. Besonders gut voran kam ich damit nicht, auch wenn der Sieg über die Kreuzritter noch nicht allzu lange zurücklag.
Auch die von Sayd geforderten Studien über die Katharer wollten mir nicht recht von der Hand gehen, hauptsächlich weil ich diese Religion nicht durchschaute. In einigen Dingen widersprachen sich die Gläubigen selbst, außerdem erschienen mir viele ihrer Regeln widersinnig.
Und auch Sayd trug dazu bei, dass ich zweifelte. Er, dem es gelungen war, über Roland d’Azième Bekanntschaft mit Beatrice de Planisolles und dem Parfait der Stadt zu schließen, berichtete nichts Gutes von den Zuständen im Hause Autier. Mochte der Parfait sich auch in Lumpen hüllen, wenn er zu einem Gläubigen aufbrach, um ihm Trost zu spenden – daheim lebte er in Saus und Braus.
Die Einzige unter den Gläubigen, die wirklich rein zu sein schien, war Giselle. Mittlerweile war sie für mich zu einer Freundin geworden. Da mein Vater mich wie einen Jungen aufzog, hatte ich meist mit Männern zu tun gehabt. Freundschaft zu Mädchen hatte ich nie hegen können. Seit ich bei den Sephira war, hatte ich kaum noch Kontakt zu Frauen. Bedrückt hatte mich das nie, denn ich fand in Gabriel einen treuen und liebevollen Gefährten. Doch wenn ich mit Giselle zusammen war, kam es mir vor, als verstünde sie ganz selbstverständlich mein ganzes Wesen – auch wenn ich mich ihr nie wirklich offenbaren durfte.
Seufzend legte ich die Feder ab und blies Atem in meine Hände. Unterhalb des Olivenhains war es heute doch ein wenig kalt. Als ich schon zusammenpacken wollte, vernahm ich leise Schritte. Offenbar wollte sie mich erschrecken. Ich spielte mit, indem ich so tat, als hörte ich sie nicht.
Plötzlich spürte ich ihre Hände an meinen Schultern. »Pass auf, dass dich der Wolf nicht holt!«
Ich tat, als zuckte ich zusammen, und wandte mich um.
Giselle lachte über ihren Streich. »Ist es mir wirklich einmal gelungen, dich zu erschrecken!«
»Wenn du aber auch schleichst wie eine Katze.«
»Das scheint deine Ohren sonst auch nicht davon abzuhalten, mich aufzuspüren.«
Lächelnd hockte sie sich neben mich auf einen Stein. Dabei streifte ihr Blick mein Schreibzeug.
»Na, kommst du voran?«, fragte sie, doch Angst, dass sie lesen könnte, was ich schrieb, brauchte ich nicht zu haben. Niemand hier konnte etwas mit der arabischen Schrift anfangen. Besonders wertvolle Informationen verfasste ich gar in Jareds ägyptischen Schriftzeichen.
»Ich kann mich nicht beklagen«, antwortete ich, während ich Feder und Pergament wieder in der Büffelhaut verschwinden ließ.
»Du bist wirklich ein seltsames Mädchen«, stellte sie wieder einmal fest. »Woher hast du diese fremdartigen Zeichen gelernt?«
»Von Jared«, antwortete ich. »Er ist versiert in den Sprachen verschiedener Völker.«
Die Erwähnung meines Freundes ließ ihre Augen leuchten. Sonst verbarg sie ihre Gefühle recht gut, besonders gegenüber ihrem Vater, der uns noch immer sehr misstrauisch begegnete. Doch ich spürte, dass sie geradezu vernarrt in Jared war.
»Ich wünschte, er würde auch mir etwas von seinem Wissen beibringen.«
»Du solltest ihn fragen. Er mag es sehr, wenn man ihn um Hilfe bittet.«
Errötend blickte sie auf die Spitzen ihrer Lederschuhe. »Das wage ich nicht. Er wirkt manchmal recht einsilbig, geradezu brummig.«
Ich kannte den Grund. Jared war nicht etwa brummig, weil er Giselle nicht mochte. Er war brummig, weil seine Gefühle für sie beinahe überhandnahmen. Sobald sie in der Nähe war, musste er sich regelrecht zwingen, nicht zu ihr zu schauen. Des Nachts lag er oft lange wach, wie ich an dem Glitzern des Mondlichts in seinen Augen sehen konnte. Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, beinahe schien es, als wollte er sich selbst davon überzeugen, dass das, was er fühlte, nicht echt war.
Doch weder Gabriel noch mich konnte er damit in die Irre führen, wussten wir beide doch nur zu gut, welche Dummheiten man
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