Septimus Heap - Fyre
gemacht.«
»Sam hat recht, Mum«, sagte Jenna. »Ich glaube, sie ist da drinnen.«
»Ganz bestimmt sogar!«, rief Sam aufgeregt, setzte sich auf das ungewöhnlich leere Sofa und schnitt, sich vor Konzentration auf die Lippe beißend, vorsichtig durch den fest vernähten Faden. Bald schimmerte Gold durch die aufgetrennte Naht, und Augenblicke später purzelte eine kleine goldene Pyramide in Sams Schoß und von dort mit einem dumpfen Schlag zu Boden. Sam hob sie auf und hielt sie Jenna hin. »Hier bitte, Jenna. Extra für dich.«
»Ich habe sie!«, rief Jenna triumphierend. In der Hand das rosa Kaninchen – das ihr als sicherster Aufbewahrungsort für die glatte und unglaublich schwere kleine Pyramide erschienen war –, sprang sie in die lila Röhreund nahm ihren Platz neben Septimus wieder ein. »Fahren wir!«
»Wozu hast du denn Pookie mitgebracht?«, fragte Septimus, als Jenna das ausgeweidete – und von Sarah flugs wieder zugenähte – Kaninchen zwischen sie auf den Sitz plumpsen ließ.
»Pyramide«, antwortete Jenna, noch ganz außer Puste. »Die Pyramide steckt in Pookie.«
»Aha.« Septimus schüttelte verwirrt den Kopf.
Von Marcellus dirigiert, steuerten sie nun die Röhredurch die Eistunnel in Richtung Zaubererturm. Die Kufen holperten durch den Matsch, schrappten über die Steine darunter, und das Innere der Röhreerdröhnte vom Geprassel der Eisbrocken, die von der Tunneldecke auf das Metalldach fielen. Im Scheinwerferlicht waren die Backsteinmauern der alten Eistunnel und die Pfützen zu sehen, die sich auf dem Tunnelboden gebildet hatten. Mehr als einmal mussten sie mit der Röhre wassergefüllte Senken durchtauchen, die Septimus und Beetle vor nicht allzu langer Zeit noch mit dem Schlitten durchfahren hatten.
Jenna und Septimus tauschten nervöse Blicke, doch Marcellus war erstaunlich guter Dinge. »Bald nimmt alles wieder seinen normalen Gang«, sagte er.
Septimus schwieg dazu. Marcellus war schon immer gegen die Eistunnel gewesen, und er wollte jetzt nicht mit ihm streiten. Aber er wusste, wie dick das Eis in einigen schmäleren Tunneln gewesen war, sodass er sich unwillkürlich fragte, wohin die Schmelze noch führen würde.
Ein paar Minuten später fragte Jenna scharf: »Hast du das gehört?«
Septimus nickte. Ein tiefes Grollen ertönte hinter ihnen. Automatisch schaute er sich um, obwohl die Röhrekein Heckfenster hatte. Er sah nur Marcellus, der aufrecht dasaß und trotz eines immer größer werdenden Veilchens am rechten Auge putzmunter wirkte. Sogar selbstzufrieden, wie Septimus fand.
Die Röhrebegann zu wackeln, und hinter ihnen brach ein Donnern los, als nähere sich eine galoppierende Pferdeherde.
Jenna stockte der Atem. »Da kommt etwas.« Auch sie fuhr im Sitz herum, obwohl es kein Rückfenster gab. Jetzt sah Marcellus gar nicht mehr selbstzufrieden aus.
Dann hatte sie das Donnern erreicht. Eine Wasserwand hob die Röhrehoch , und sofort waren sie Teil eines tosenden Strudels aus Wasser, Schmutz und Kies, der wie eine Flutwelle durch die Tunnel schoss, die nun keine Eistunnel mehr waren. In beängstigendem Tempo wurden sie mitgerissen. Septimus versuchte, das Lenkrad festzuhalten, und Jenna starrte mit weit aufgerissenen Augen durch das aufspritzende Wasser, um ja nicht die Abzweigung zum Zaubererturm zu verpassen. Schließlich erspähte sie durch die Gischt die Buchstaben ZT , dazu eine große Hand, die in lila Farbe an die Wand gepinselt war und auf einen breiten Tunnel zeigte, der nach links abzweigte.
»Links!«, schrie sie. »Links!« Mit vereinten Kräften drehten sie und Septimus das Lenkrad nach links, und die Röhregehorchte widerwillig. Sie blieb kurz mit der Nase am Tunneleingang hängen, doch dann wurde sie von den Fluten herumgerissen, rutschte an der Abzweigung vorbei und schoss, indem sie von einer Seite auf die andere geworfen wurde, mit den Wassermassen davon.
»Der Tunnel führt im Kreis!«, rief Septimus. »Wir drehen eine Runde und versuchen es dann noch einmal.«
»Gut, Sep! Wir schaffen das.«
Marcellus auf dem Rücksitz war ganz grün im Gesicht. Vielleicht, so dachte er inzwischen, waren die Eistunnel alles in allem doch keine so schlechte Sache.
* 45 *
HOCHWASSER
Marcia öffnete die Tür zum Fremdenzimmer und spähte hinein. Alther begrüßte sie müde. Körperlich können Geister nicht ermüden, geistig aber sehr wohl, und so fühlte er sich, nachdem er über vierundzwanzig Stunden mit Nursie und Merrin auf beengtem Raum
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