Sex and Crime auf Königsthronen
seiner Lust hochgesteckt und so uneinnehmbar sein oder scheinen wie eine Festung. Der Tudor ist kein triebgesteuerter Streuner, sondern mehr der Typ serieller Monogamist. Darum auch die vielen Ehen. Fünf seiner Frauen – darunter Königin Katharina – heiratet Heinrich aus Liebe, oder aus dem, was er jeweils dafür hält. Im Fall Katharina ist es Teenieschwärmerei im Minnegewand.
Nach Anne Hastings flirtet der hübsche 19-jährige Frauenliebling für eine Weile nur noch platonisch. Beweis seiner Versöhnung mit Katharina ist eine erneute Schwangerschaft unmittelbar nach dem Verlust des ersten Babys.
Seine Königin tröstet sich über Heinrichs Ausrutscher hinweg und freut sich, dass Heinrich die Beichte und bis zu fünfmal täglich die Messe mit ihr besucht. Wobei er nebenher – in seiner abgeschirmten königlichen Loge – endlich auch lästige Staatsgeschäfte erledigt, Papiere unterzeichnet und Ministerentscheidungen absegnet. Der Prinz scheint lieber erwachsen als ein Playboy werden zu wollen.
Am 1. Januar 1511 kommt ein kleiner Prinz zur Welt, der die Tudordynastie sichern kann. Sein Papa ist begeistert, pilgert mit dem Baby persönlich und barfuß zur Jungfrau von Walsingham, um zu danken und eine Kerze zu entzünden, die noch Jahre brennen wird.
Er richtet dem Junior – der Heinrich heißt, wie sonst? – einen Hofstaat mit vierzig Personen ein. Allein vier Wiegenschauklerinnen und acht Ammen werden engagiert. Und natürlich wird gefeiert. In ganz England und bei Hofe. Fast einen Monat lang. Nicht viel länger lebt der kleine Thronfolger. Er stirbt 52 Tage nach seiner Geburt; die Kerze von Walsingham brennt 20 Jahre lang weiter.
Heinrich ist entsetzt, aber nicht untröstlich. Immerhin ist Katharina ja ausgesprochen fruchtbar und er noch jung. Außerdem findet er im Jahr 1511 endlich einen Anlass, das zu tun, was er sich als echter Ritterfan immer ersehnt hat: Er kann einen Krieg erklären. Noch dazu mit dem Segen des Papstes und – Vive la France – gegen den uralten Erzfeind jenseits des Kanals. Nur der Kronrat muss noch zustimmen.
Königin Katharina – obwohl betroffen vom Verlust ihres Babyprinzen – ist schon jetzt begeistert. Und zwar von Herzen.
Als jüngste Tochter von Ferdinand von Aragon und Königin Isabella von Kastilien ist sie am Rande von Schlachtfeldern und in Kriegstrossen aufgewachsen. Ihre Eltern, die reyos catholicos , sind als erste Nationalhelden Spaniens in die Geschichte eingegangen. Beiden gelang die endgültige Rückeroberung der iberischen Halbinsel von den Mauren, die dort über 700 Jahre herrschten.
Nicht nur im Schlachtengetümmel hatte Katharinas Mama Isabella die Eisenhosen an, sondern auch in der Ehe – vermerken zeitgenössische Chronisten süffisant. Das prägt. Viele Feinde hat Isabella höchstselbst abgekehlt und nebenher – oft im Kriegszelt und untermalt von Waffengeklirr – zehn Kinder geboren. Fünf tot, fünf lebend. Wer jetzt noch glaubt, dass Frauen im Mittelalter nur Teppichsticken und Gebete im Kopf hatten, ist selber schuld.
Gatte Ferdinand, den wir bereits als durchtriebenen Heiratsschacherer kennengelernt haben, kämpfte selbstredend auch, übernahm aber lieber die Rolle des abgefeimten Bündnisschmieds. Von ihm wissen die Quellen zu berichten, »er ist ein ausgemachter Lügner, und es gibt keinen König, den er nicht ein Mal betrogen hat«. Sinngemäß ergänzt Ferdinand in einem Brief: »Ein Mal? Das ist zwei Mal zu wenig.«
Katharina ist so fromm wie stolz auf die heiligen Kriegstaten ihrer königlichen Eltern. Greueltaten wie die Vertreibung und die Massenvernichtung von Muslimen und Juden mittels der spanischen Inquisition inbegriffen. Der Papst selbst hat den Eltern dafür den Ehrentitel »katholische Majestäten« verliehen. Jetzt kann die Amazonentochter Katharina ihrem Ritter Heinrich »Treuherz« beweisen, aus welchem Holz eine spanische Prinzessin geschnitzt ist. Ihr Standesstolz ist beeindruckend und sozusagen ihr Erbrecht.
Ihre Mutter Isabella war eine Monarchin aus eigenem Recht und mit eigenem Thron, nämlich dem von Kastilien. Der war weit mächtiger als das eher schäbige Pendant ihres Papas von Aragon.
Katharina versteht sich nicht als reine Gebärmaschine im Dienste der Krone, sondern als gute Gabe Gottes an England. Sie ist wild entschlossen, Heinrich neben Thronerben auch Siege zu schenken. Das ist ihre heilige Mission. Also, auf in den Kampf, Toreros.
König Artus’ letzter Ritter kämpft
für hundert
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