Sex ist verboten (German Edition)
Geschichte aus dem Kopfkriegen, indem man sie aufschreibt. Anstelle der hundert Wörter hatte er tausend geschrieben. Und er würde weitere tausend schreiben, unter dem dummen Vorwand, dass er sie dadurch vergessen kann. In Wirklichkeit will er jedes weiße Blatt mit sich und seinem Mist vollschreiben. Ich habe dich in Rot gemalt, Beth, weil das deine Farbe ist. Du färbst die ganze Welt rot.
Und ich war stolz gewesen!
Hör auf zu schreiben, Mr. Wortreich-Tagebuchschreiber.Hör auf, über dich selbst zu schreiben. Hör auf, mich in Versuchung zu führen, deine Worte zu lesen, zu schreiben wie du, zu denken wie du. Wenn du wirklich leiden würdest, wäre es dir lieber, wenn diese Seiten weiß blieben. Es wäre dir lieber, auf weiße …
Die Tür wurde aufgestoßen und er kam herein.
Er war ein stattlicher Mann, größer, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich bin nicht gut im Alter schätzen. Anfang fünfzig? Könnte hinkommen. Groß, aber ein bisschen gebeugt, und wie es aussieht, hat er sich seit seiner Ankunft hier nicht rasiert. Sein Gesicht wirkte schmutzig vom Bart.
Als er hereinkam, war er gerade dabei, sich den Pullover auszuziehen. Er hatte es eilig. Er muss im letzten Augenblick beschlossen haben, zur Abendsitzung etwas Wärmeres anzuziehen. Der Gong für den Vortrag war bereits ertönt. Die letzten Schritte waren verhallt. Er kam herein, während er sich den Pullover über das Gesicht zog. Ein grüner Pullover. Sein Hemd wurde dabei mit hochgezogen. Sein Bauch war blass, fest und behaart. Dann, als der Pullover von seinem Kopf glitt, sah er mich.
Beth auf dem Bett.
Ich legte einen Finger auf die Lippen. Er war erstaunt. Wenn er mich schon einmal gesehen hatte, dann muss das auf der Frauenseite der Halle gewesen sein, in einem Meer von anderen Gesichtern. Weiblichen Gesichtern. Jetzt war er wachsam, voll da. Das sah man. Er hat ein schmales Gesicht, mit einer Hakennase und hohen Wangenknochen. Ganz anders als Jonathan. Sein Blick war erfreut, neugierig. Er öffnete den Mund, sah, wie ich den Kopf schüttelte und den Finger auf die Lippen legte, und schloss ihn wieder.
Ich stand auf, das Tagebuch immer noch in Händen, und wir starrten einander an. Seine Hände steckten noch in den Ärmelnseines Pullovers, er war quasi in Handschellen. Seine Haut unter dem schmutzigen Bart war blass. Ein rötlicher Bart. Er sah müde aus. Aber sein Mund wirkte ironisch und liebenswürdig.
Ich mochte ihn. Mehr als die Stimme im Tagebuch. Ohne zu sprechen schauten wir uns nur an.
Ich habe große Augen, große Titten, große Zähne und eine Menge krauses Haar. In der Art, wie wir einander anschauten, lag etwas seltsam Wissendes. Er wusste sofort, dass ich sein Tagebuch gelesen hatte. Ich wusste über seinen ganzen Mist Bescheid, dass er ein verheirateter Mann war, der vielleicht ein verheiratetes Mädchen geschwängert hatte und eine Tochter hatte, die gerade echt Scheiße baute. Aber am beschämendsten – das wurde mir klar, während wir uns anschauten – es muss mindestens dreißig Sekunden gedauert haben – war, dass er
auf diese Weise
über sich selber schrieb, so aufgeregt, so eitel und dramatisierend. Und für mich war es beschämend, dass ich dieses Zeug las. Es immer wieder las. Ich leistete Service im Dasgupta-Institut, ich sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Wir sollten uns alle beide schämen. Stattdessen konnte ich, während die Sekunden verstrichen – ich ließ den Finger auf meinen Lippen und schüttelte weiterhin ganz leicht den Kopf, um ihn vom Reden abzuhalten –, stattdessen konnte ich sehen, dass er sich freute, mich erwischt zu haben. Er war nicht verärgert. Er freute sich über alles, was ihn von sich selbst ablenkte. Er wusste, dass ich verlegen war, und sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass er keinen Ärger machen würde. Seine dicken Augenbrauen verliehen ihm ein strenges, schulmeisterliches Aussehen, aber die Art, wie er sie hochzog, die eine höher als die andere, bedeutet nur: Ok, Süße, und was sollen wir jetzt machen? Was hast du vor?
Die Zimmer im Dasgupta-Institut sind nicht sehr großzügig. Dieses Einzelzimmer war vielleicht drei Meter lang und zwei Meterbreit. Tür an der Schmalseite, Fenster gegenüber, die eine Wand leer, an der anderen Schrank und Bett. Sonst nichts. Ich würde mich an ihm vorbeizwängen müssen.
Wir schauten uns in die Augen. Durch das Nicht-Reden waren wir uns nah gekommen. Ich machte einen Schritt und reichte ihm sein Tagebuch. Er musste seine Hand aus
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