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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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»Erdrosseln mit Strick« möglicherweise ein Irrtum war.
    Sein Kollege Hansen berichtete dazu, dass der Erstgutachter Ponsold zur Feststellung der angeblichen Drosselmarke »offenbar jenes [Foto] benutzt hat, welches nach der Sektion aufgenommen worden ist. Ich muss bei unvoreingenommener Betrachtung Herrn Ponsold beipflichten: In Fortsetzung der Hautmarke am linken Kieferwinkel finden sich schwache und blasse Zeichnungen, die als drei etwa parallele Streifen erscheinen und eine gewisse Ähnlichkeit mit ›Strickmustern‹ haben.
    Ich würde es aber nicht wagen, diesen Befund als Beweis eines Erdrosselns anzusehen, wenn das fragliche Werkzeug [der Strick] nicht vorliegt und auch sonst kein vollgültiger Beweis für ein Erdrosseln zu führen ist [keine typischen Einblutungen].
    Ich könnte diesen Befund als Beweis für die Verwendung eines Strickes dann ansehen, wenn mir verschiedene Drosselwerkzeuge als mögliches Tatwerkzeug vorgelegt würden: z. B. Draht, Schal, Strumpf, Schlips, Strick, Kette etc.
    Nur anhand der qualitativ mäßigen Fotos und ohne sicheren Nachweis eines Todes durch Erdrosseln würde ich diese angedeuteten Hautmarken nicht als beweisend für eine Erdrosselung mit einem Strick ansehen.«
    Das hört sich recht versöhnlich an: Man könnte sich wissenschaftlich einigen, wenn bessere Unterlagen vorlägen. Doch Hansens Ton änderte sich rasch. Das lag sicher auch daran, dass seine Rückendeckung – Otto Prokop – schon von Jugend an mit einer Agfa-Kamera »für zehn Schilling« begeistert fotografiert hatte und darüber zum Experten für Leichen- und Tatortfotografie geworden war.
    Wiederaufnahmeverfahren
    »Wiederaufnahmen« sind das sehr selten genehmigte, vollständig neue Aufrollen eines Gerichtsverfahrens, auch wenn bereits seit langem eine rechtskräftige Verurteilung »durch alle Instanzen« vorliegt.
    Im Strafverfahren muss dabei in Aussicht stehen, dass »neue Tatsachen oder Beweise einen Freispruch oder eine Strafmilderung bewirken könnten«. Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten feststellt, auf der das Urteil beruht, wird das Verfahren ebenfalls komplett neu aufgerollt.
    Da deutsche Richter sehr weitgehende Rechte bei der Bewertung von Beweisen haben, kommen Wiederaufnahmeanträge in der Praxis fast nie durch.
    Einer der Gründe ist neben der Trägheit des juristischen Apparates, dass groteske Situationen entstehen, wenn beispielsweise ein Richter das von ihm selbst Jahre zuvor geführte und entschiedene Verfahren später im Rahmen einer Wiederaufnahme noch einmal auf den Tisch bekommt. Erfahrungsgemäß besteht dann von vornherein eine Abwehrhaltung gegen dieses Verfahren.
    Wiederaufnahmen sind aber auch deshalb so selten, weil die in Fernsehserien dargestellten naturwissenschaftlichen Sachbeweise nicht immer möglich sind: Wo keine Spur eingesammelt wird, kann sie später auch nicht zugunsten oder gegen den Angeklagten ausgewertet werden. Dasselbe gilt für schlechte oder nie gemachte Fotos.

    Wenn in der Stellungnahme von Professor Hansen von »qualitativ mäßigen« Fotos die Rede ist, ist auch das ein schwerer Hieb, der g ewiss mit Prokop abgesprochen war. Doch der Rechtsmediziner geht noch weiter. »Ich habe gegen dieses Foto noch weitere Bedenken«, schreibt er an Hetzels Anwalt, »weil es nach der Sektion aufgenommen ist, was durch zwei Schnitte hinter dem linken Ohrläppchen und vor dem Gehörgang erkennbar ist.
    Wir wissen, dass bei der Sektion Veränderungen an der Haut durch die notwendigen Hantierungen an der Leiche gesetzt werden können. Ich habe mir daher die Frage gestellt, ob diese ›Strickabdrücke‹ nicht eventuell Kunstprodukte sind, ebenso wie die deutlich abgebildeten Schnitte?
    Unter den mir vorliegenden Fotos fand ich zwei, welche einwandfrei vor der Sektion aufgenommen sind. Beide Fotos lassen, obwohl in gleicher Stellung und Lage der Leiche aufgenommen, dieses ›Strickmuster‹ nicht erkennen.«
    Diese Aussage ist der Todesstoß für die vorherige Beweisführung. Wenn die angebliche Strangmarke erst bei der Leichenlagerung künstlich entstanden war, dann brach die Theorie einer Drosselung mit einem Strick weg. Doch was war dann die Todesursache? Denn die übrigen an der Leiche sichtbaren Verletzungen reichten nicht aus, um einen Menschen zu töten. Wenn die nach der Sektion sichtbaren, äußerlichen Spuren zum Tatzeitpunkt noch nicht vorhanden waren, dann hatten sie auch nichts mit der

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