Shadow Touch
ihnen herrschte eine unausgesprochene Einigkeit, dass sie nicht bleiben würden. Sobald sie fertig gegessen hatten, würden sie aufbrechen. Sie konnten sich nirgendwo lange aufhalten, bis sie einigermaßen in Sicherheit waren, was vielleicht noch recht lange dauerte. Artur hatte zwar eine vage Vorstellung davon, an wen er sich um Hilfe wenden konnte, aber dies war eine reine Spekulation. Trotzdem, besser eine Spekulation als gar nichts.
Er trank die Flüssigkeit einer Konserve von gemischten Früchten, die nach nichts schmeckte, und ging anschließend hinaus, um nach dem Wagen zu sehen. Er fühlte, wie jemand mit ihm das Blockhaus verließ. Es war Amiri, dessen Augen in der Dunkelheit golden glühten, zwei Feuer in den nächtlichen Schatten.
Die Fahrertür des Lieferwagens war nicht verschlossen. Amiri sah zu, wie Artur Anstalten machte einzusteigen.
»Sie möchten mich etwas fragen, oder?«, erkundigte sich Artur.
Schweigen, ein nachdenkliches Schweigen. »Wir sind hier alle Fremde. Unsere einzige Verbindung zueinander sind die Umstände - die Entführung und die Einkerkerung. Mir behagt dies nicht, als einziges Band zwischen Menschen.«
»Sie kennen mich nicht, also vertrauen Sie mir auch nicht. Das ist schon okay.«
Amiri zuckte die Achseln. »Ich meine das nicht beleidigend. Es ist einfach nur die Wahrheit. Ich bin allein deshalb so lange bei Ihnen geblieben, weil mein Bruder schwach ist und ich ihn nicht im Stich lassen will.« Er zögerte. »Und weil Sie gesagt haben, dass Sie von uns wissen. Von uns Wandlern. Sie waren nicht im Geringsten überrascht, dass es solche wie uns gibt. Ich wüsste gern, warum.«
Ah, sein merkwürdiges Leben. »Ich kenne mehrere Gestaltwandler. Eine gute Freundin von mir hat sogar einen geheiratet. Sein Name ist Hari. Er läuft als Tiger.«
Artur hätte genauso gut etwas noch Fantastischeres nennen können, ein geflügeltes Pferd oder eine Medusa, so erstaunt sah ihn Amiri an. »Ein Tiger? Ich wusste nicht, dass es noch welche gibt.«
»Er und seine Frau haben gerade einen Sohn bekommen. Also ist er nicht der letzte. Aber fast.«
Amiri schloss die Augen. »Und die anderen?«
»Koni, der mit mir arbeitet. Er fliegt als Krähe. Und ein Drache, die sich Long Nü nennt. Sie hat meine Arbeitgeber gebeten, ihr zu helfen, mehr von Ihrer Art zu finden. Sie fürchtet um Ihr Überleben als Rasse.«
»Dazu hat sie auch allen Grund.« Amiri öffnete erneut die Augen. Diesmal war sein Blick anders, nicht gerade vertrauensselig, aber vorsichtig entgegenkommend. Vielleicht sogar respektvoll. »Es gibt nur noch sehr wenige von uns. Verein-zelte kleine Gruppen hier und da, die sich Geschichten von den anderen erzählen, die einst die Welt durchstreiften.« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Als ich Rik das erste Mal gesehen habe, als ich den Ruf zwischen uns spürte, da war es wie eine Offenbarung. Ein Wunder. Ich war nicht mehr allein. Und jetzt sagen Sie, es gibt noch mehr, und dass man nach uns sucht ...« Er unterbrach sich und schluckte schwer.
»Wie wurden Sie gefangen?«, erkundigte sich Artur.
»Das war Pech.« Amiri ballte die Hände zu Fäusten; seine Haut schimmerte golden und das Fell zeigte sich auf seinen Armen, bevor es wieder verschwand. »Ich bin Lehrer in Kenia. Ich lebe dort in der Hauptstadt. Es ist ein guter Beruf, ich helfe meinen Schülern gern. Aber manchmal muss ich einfach laufen. Und jagen. Also bin ich an meinem freien Tag mit meinem Wagen zu einer Stelle gefahren, wo ich mich unbeobachtet glaubte - und habe mich gewandelt.«
»Aber jemand hat Sie beobachtet.«
Er lächelte bitter. »Ich war dumm. Eine Naturforscherin wartete in einem Erdloch in der Nähe, der Wind stand günstig. Außerdem half ihr die Technik: Sie hatte ein Teleobjektiv auf ihrer Kamera, und ich bin sicher, dass sie das alles aufgenommen hat. Als mir klar wurde, was da passierte, bin ich geflüchtet.«
»Sie hat die Fotos aber nicht veröffentlicht.« Artur war sicher, dass eine Frau, die behauptete, einen Beweis für die Existenz von Gestaltwandlern zu besitzen, die Aufmerksamkeit der Agenten von Dirk und Steele erregt hätte.
Amiri zuckte die Achseln. »Die Bilder habe ich niemals gesehen und auch nie etwas davon gehört. Ich muss zugeben, dass ich glaubte, in Sicherheit zu sein. Dann, vor einigen Wochen, wurde ich nachts aus meiner Wohnung entführt. Ich wurde betäubt und gefesselt. Den Rest kennen Sie.«
»Ich wurde auch von zu Hause entführt.« Artur dachte an Charles
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