Shadow Touch
könnte es.
Schon, nur war Rictor nicht da. Was auch wieder ganz gut war. Ihm gegenüber hegte sie ebenfalls recht gemischte Gefühle.
»Da wir gerade von Geld sprechen ...«, begann sie, unterbrach sich jedoch, als ihr klar wurde, dass Artur über dasselbe Thema nachdachte. Er runzelte die Stirn und biss die Zähne zusammen.
»Ich kenne hier jemanden. Er schuldet mir etwas, aber er wird nicht gerade begeistert davon sein, seine Schuld zurückzahlen zu müssen.«
»Typisch«, sagte Elena. »Was hast du für ihn getan?«
»Ich ...«, er zögerte. »Ich habe ihm wohl das Leben gerettet. Vielleicht auch das seiner Familie. Aber in diesem Punkt war ich mir nie ganz sicher.«
Elena starrte ihn an. »Du hast sein Leben gerettet? Und dann glaubst du, dass er diese Schuld nicht gern zurückzahlt?«
Artur wirkte sehr verlegen, was Elena merkwürdig vorkam. Unter Druck hatte er so cool reagiert, dass sie schon vermutet hatte, ihm fehlten einige wichtige Drähte im Kopf.
»He«, sagte sie leise.
»Die Art und Weise, wie ich ihn gerettet habe, war nicht gerade ... ideal«, sagte er und weigerte sich, ihr mehr zu erzählen.
Sie fuhren in die Stadt. Elena kurbelte das schlammverspritzte Fenster herunter und genoss den frischen Wind. Kleine Anker zierten die Spitzen der Geländerpfähle entlang der Straße, und auf fast jedem Dach sah Elena Statuen von Männern, die aufs Meer hinausblickten. Kleine Wellen aus Stuck schienen an die Fassaden der Häuser zu schlagen, und mitten auf mehreren Kreuzungen standen große, rostige Reste von Schiffskanonen, die zweifellos alle historische Bedeutung hatten. Sie waren von kleinen Blumenbeeten umgeben. Die Marinesymbole schienen allgegenwärtig, und einige Dekorationen wirkten ziemlich kitschig.
Der Wind fühlte sich auf ihrem Gesicht gut an. Sie roch den Ozean und den Hafen, ein Duft, in den sich die Abgase der japanischen Limousinen mischten, die an ihrem monströsen Lieferwagen vorbeizischten.
»Es gefällt mir hier«, sagte Elena, als sie an einem gigantischen Poseidon aus Pappe vorbeikamen, dessen Dreizack im Wind wackelte.
»Die Stadt ist freundlicher als die meisten anderen russischen Städte«, sagte Artur. »Wladiwostok ist zwar arm, aber dank des Meeres hungern die Menschen hier nie. Und wegen der Touristen und der Werften gibt es immer Arbeit.«
»Hast du je hier gelebt?«
»Nein. Ich war nur ... kurz hier. Ab und zu.«
Elena dachte an ihren kurzen Ausflug in seinen Geist, an die Gewalt, die sie dort gesehen hatte. Es war zwar kein guter Zeitpunkt, ihn zu fragen, aber sie wollte es wissen. Artur war ein Kämpfer. Das abzustreiten wäre albern gewesen. Aber er war nicht nur ein Kämpfer. Sie wollte mehr über ihn wissen. Alles.
»Was hast du in Moskau gemacht?«, fragte sie ruhig. Sie zögerte und berührte dann seine Hand. Er hatte seine Handschuhe wieder angezogen. Sie schob ihre Finger unter den Rand. Seine Haut war warm. Sie ertastete Knochen und Sehnen und sah, wie er schluckte. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht dasselbe zu tun, und ihr Herzschlag beschleunigte sich.
Ich war kein guter Mensch. Artur behielt die Straße im Auge, aber sie fühlte ihn in ihrem Kopf, seine Aufmerksamkeit, die ebenso stark war wie sein Geist, als er sich um den ihren gewunden hatte. Die Vorstellung, ihren Geist und Körper mit jemand anderem zu teilen, mit einem Fremden, hätte eigentlich qualvoll sein sollen, und hätte man Elena gesagt, dass so etwas überhaupt möglich wäre, es ihr bewiesen, so hätte sie sich davor gefürchtet. Ihre Privatsphäre war ihr heilig.
Dennoch, mit Artur das intimste Innerste zu teilen, schien so natürlich, wie zu atmen. Es war gut, süß. Und so sicher wie ein Zuhause. Sie kannten sich erst einen Tag, aber an diesem Tag war ein ganzes Leben verstrichen.
Du weißt, dass ich das nicht glaube. Elenas Blick glitt über seinen Hals, sein markantes, blasses Gesicht. Sein dunkles Haar wirkte struppig, und außerdem musste er sich dringend rasieren.
Ich weiß, dachte er. Aber das empfindest du nur, weil du nicht alles weißt, was ich getan habe.
Dann erzähl es mir.
Das kann ich nicht.
Du hast Angst.
Ja. Er sah sie an. Ich habe für die russische Mafia gearbeitet. Ich war ein Auftragskiller. Ich habe Menschen für Geld umgebracht. Siehst du? Sehr angenehm, nicht?
Nein, das war es wahrhaftig nicht. Aber irgendwie überraschte es sie auch wieder nicht. Tötest du immer noch für Geld?
Seine Miene veränderte sich nicht, aber sie spürte seine
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