Shannara VIII
Sie wusste sowieso schon, wo unser Ziel lag; das hatte sie in den Gedanken des Schiffbrüchigen gelesen. Ich jedoch, und darauf hatte er gezählt, verbarg vor ihm keine Wahrheit und keine Bruchstücke meiner Visionen mehr, keine Geheimnisse, die ihm Schaden zufügen könnten. Nun gehörte ich aus freiem Willen ihm. Und ihm werde ich ewig gehören, so lange er mich braucht. Unsere Verbindung übertrifft alles. Sie ist stark genug, sodass ich spüre, wie sehr er mich braucht, hier unten an diesem dunklen Ort, in diesen Gängen und Räumen, in all diesem Metall. Ich fühle, wie er nach mir greift, weil es sonst niemanden gibt, den er erreichen kann.« Sie schluckte die Tränen hinunter. »Deshalb gehe ich zu ihm. Deshalb muss ich ihn finden.«
Sie löste sich aus seiner Umarmung und wischte sich die Tränen mit beiden Händen aus den Augen. Danach begann sie erneut zu weinen, schlang die Arme um sich und wiegte sich auf den Fersen hin und her. »Ist das nicht traurig? Vielleicht bin ich alles, was er noch hat!«, sagte sie mit brechender Stimme. »So erbärmlich.«
Er schloss sie in die Arme und hielt sie fest, derweil sie weinte, und er versuchte nicht, sie zu trösten, sondern hielt sie einfach nur. Mehrmals dachte er daran, etwas Beruhigendes zu sagen oder etwas Kluges, doch irgendwie fiel ihm nichts ein, das ihm angemessen erschien. Schweigen war wohl das Beste, also blieb er stumm. Um sie herum wirbelte die Magie des Phönixsteins wie trübes Wasser, stetig und aufmunternd, denn diese Zuflucht gab ihnen Zeit und einen Ort, um ihre Gefühle zu ordnen. Ahren blickte durch den Dunst in den Gang, der leer und still war. Es fühlte sich an, als wären sie tatsächlich allein hier unten, von allen verlassen und vergessen.
Ryer hörte auf zu weinen, löste sich aus seinen Armen und sah ihm in die Augen. »Willst du mich noch immer begleiten?«
Er nickte. Nie war ihm der Gedanke gekommen, es nicht zu tun.
»Du musst aber nicht«, sagte sie, »ich erwarte jetzt nicht mehr, dass du dich an dein Versprechen hältst, nachdem du weißt -«
»Hör auf damit«, protestierte er rasch. »Kein weiteres Wort darüber.«
Sie schaute ihn einen Moment lang an, dann beugte sie sich vor und küsste ihn auf die Wange. Mit der Wärme und Sanftheit ihrer Lippen spürte er, wie ein gutes Stück seines Selbstwertgefühls zurückkehrte.
Sie erhoben sich und setzten den Weg durch Castledowns endlose Gänge und Tunnel fort, wobei sie von der Magie des Phönixsteins eingehüllt blieben und sich von ihren Instinkten und Nöten führen ließen. Die junge Seherin rang weiterhin mit den Dämonen, die in ihr wohnten, aber ihr bleiches, vergeistigtes Gesicht hatte einen entschlossenen Ausdruck angenommen. Erneut hatte sie Ahrens Hand ergriffen, obwohl das ja, wie sie festgestellt hatten, nicht notwendig war. Ahren freute sich darüber. Die Berührung bedeutete ihm genauso viel wie ihr. Er fühlte sich, als wären sie Kinder, die sich in einem dunklen Wald verirrt haben, über den sich die Nacht senkt und in dem Wölfe ihr Unwesen treiben, und blind vertraute er einem Talisman, den er weder verstand noch beherrschen konnte. Die Magie des Phönixsteins beschützte sie, doch wie lange noch? Er wollte nicht unvorbereitet oder kurz vor dem Ziel kalt erwischt werden.
Oder vor den Zielen, berichtigte er sich. Auf der einen Seite Walker, auf der anderen die verschollenen Elfensteine. Über Letztere hatte er mit Ryer Ord Star nicht gesprochen, doch wenn sie den Druiden erst gefunden hatten, beabsichtigte er, nach den Steinen zu suchen. Vielleicht verlangte er zu viel. Möglicherweise würde die Magie, nachdem sie Walker entdeckt hatten, aufhören. Er hatte keine Ahnung. Für unvorhergesehene Fälle konnte er nicht planen, sondern nur hoffen und das Beste aus einer Situation machen.
Lange Zeit zogen sie weiter, begegneten jedoch weder Kriechern noch Feuerstrahlen. Wenn Antrax nach ihnen jagte, dann nicht weiter offen sichtbar. Mittlerweile ging es beständig nach unten, Rampen und Treppen hinunter, weiter unter die Erde als zuvor. Ahren erschien es sinnvoll, dass Antrax die Magie tief unten verstecken würde. Dort würden sie vermutlich auch mit größerer Wahrscheinlichkeit auf Walker treffen.
Vor ihnen, in nicht allzu großer Entfernung, surrte und tuckerte leise eine Maschine in regelmäßigem Rhythmus, der im Stahl der Tunnel widerhallte und Ahrens Knochen vibrieren ließ.
Dann verzweigte sich der Gang und führte rechts und links auf eine Reihe
Weitere Kostenlose Bücher