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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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Streiche tun.
    Da erscholl aus dem nahen Wald ein lautes Schleifen und Rattern, das näher kam und zu einem Krachen und Splittern von Holz und zu Eisengeklirr wurde. Gleich darauf übertönte den Tumult ein wildes Brüllen wie von einem riesigen, gepeinigten Tier. Dann brachen die Äste vor ihm auseinander, und Gel-Ethlin stand starr vor Entsetzen da, bar jeden anderen Gefühls als panischer Angst. Der gewöhnliche Lauf der sichtbaren und verständlichen Dinge, die Sinne, dieser fünffache Rahmen der Welt, des Menschen überlegungslose Gewißheit dessen, was vernünftigerweise geschehen kann und was nicht, worauf jedes vernünftige Leben basiert – all das zerschmolz in einem Augenblick. Wenn ein in Laken gehülltes Skelett aus den Bäumen auf nackten Knochenfüßen hervorgestapft wäre, unsichtbar für alle außer für ihn, und mit wackelndem Kopf und grinsendem Rachen auf ihn zugeschritten wäre, hätte er nicht tiefer in Entsetzen und geistigen Wirrwarr gestürzt werden können. Vor ihm, nur wenige Meter entfernt, stand eine Bestie, doppelt so groß wie ein Mann, die keinen Platz in der sterblichen Welt haben konnte. Sie sah aus wie ein Bär, aber wie ein von der Hölle geschaffener Bär, um die Verdammten durch seine bloße Gegenwart zu quälen. Die Ohren lagen flach wie bei einer wütenden Katze, die Augen funkelten rötlich im abnehmenden Licht, und zwischen Deelguydolchen ähnlichen Zähnen quoll ockergelber Schaum hervor. Über einer Schulter – und das machte ihn fast irrsinnig vor Angst, denn es bewies, daß dies keine irdische Kreatur war – trug der Bär einen großen, spitzen Pfahl, von dem Blut tropfte. Auch die gebogenen Klauen der wie in einem greulichen Todesgruß über seinen Kopf gehobenen Tatze waren mit Blut bedeckt. Seine Augen – die Augen einer rasenden Kreatur in einer Welt voll Grausamkeit und Pein – blickten auf Gel-Ethlin nieder mit einer für ihren alleinigen Zweck nur allzu ausreichenden trüben Intelligenz. Er erwiderte diesen Blick und ließ dabei sein Schwert aus der Hand fallen; und da traf ihn das Tier mit einem Hieb, der seinen Schädel zertrümmerte und ihm den Kopf zwischen die Schultern schlug.
    Kurz darauf stürzte Shaltnekan über die Leiche; seine Brust war eingedrückt wie eine zerschmetterte Trommel. Kreet-Liss stolperte über den nassen Hang und führte einen Schwertstreich, bevor sein Hals aufgerissen wurde und ein Blutstrom herausquoll. Und dieser Schwertstreich, der das Geschöpf verwundete, trieb es zu so rasend mörderischer Vernichtungswut, daß alle Männer schreiend davonstürzten, als es über den von Kriegern wimmelnden Abhang hinaufstieg, um alle niederzuschlagen und zu vernichten. Die Männer an den Flügeln hielten an und fragten, was geschehen sei, und die Angst krampfte ihre Gedärme zusammen, als sie erfuhren, daß der Bärengott, entsetzlicher als irgendein Phantasiegeschöpf aus den tiefen Einöden von Fieber und Alptraum, tatsächlich aufgetaucht war und den General und zwei Anführer erkannt und mit voller Absicht erschlagen hatte.
    Aus der wankenden Front der Ortelganer erscholl ein Triumphgeschrei. Vor Erschöpfung hinkend und stolpernd, tauchte Kelderek als erster zwischen den Bäumen auf und rief: »Shardik! Shardik, die göttliche Kraft!« Dann strömten die Ortelganer mit den Rufen »Shardik! Shardik!«, dem letzten Laut, der in Ta-Kominions Ohren erklang, den Hang hinauf, sie hieben und stießen sich einen neuen Weg durch das eingedrückte Zentrum der Beklaner. Wenige Minuten nach Kelderek erreichten Balthis und viele andere den Eingang der Schlucht jenseits des Kammes und sahen sich, ohne Rücksicht auf ihre Isoliertheit, in der Gegend um, fest entschlossen, jedem standzuhalten, der sich einen Fluchtweg ertrotzen wollte. Shardik war im sinkenden Dunkel spurlos verschwunden.
    Als eine halbe Stunde später die Nacht dem Blutvergießen ein Ende machte, war jeder Widerstand der Beklaner erloschen. Die Ortelganer, dem schrecklichen Beispiel folgend, das sie vor der Niederlage bewahrt hatte, gaben keinen Pardon, töteten ihre Feinde und raubten den Leichen Waffen, Schilde und Rüstung, bis sie eine so gut ausgerüstete Streitmacht waren, wie sie nur je über die Ebene von Bekla hergefallen war. Einigen von Gel-Ethlins Leuten gelang es, in Richtung Gelt zu entkommen. Keiner kam an Kelderek vorbei zurück ins Flachland über die Straße, auf der sie am Nachmittag anmarschiert waren.
    Beim Aufgang des regenumwölkten Mondes stieg der weiße Rauch

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