Shardik
Manche waren von Dienern begleitet, die mit Mänteln, Papier und Schreibmaterial hinter ihnen gingen, während andere, mit heiseren Stimmen und verwildert wie Banditen, dann und wann in lautes Lachen ausbrachen oder einander auf die Schultern klopften; sie verrieten trotz ihrer Bemühungen, es zu verbergen, ihre innere Unsicherheit in dieser gepflegten und ungewohnten Umgebung. Andere wieder wollten deutlich als Soldaten erkannt werden und hatten, obgleich selbst unbewaffnet, mit Rücksicht auf den Ort und die Gelegenheit ihre Diener angewiesen, ihre leeren Schwertscheiden auffallend zu tragen. Mehrere dieser Männer schienen einander fremd zu sein, denn sie grüßten beim Vorbeigehen nur formell – eine Verneigung, ein ernstes Nicken oder einige Worte: doch ihre gleichzeitige Anwesenheit verriet, daß sie etwas miteinander gemein haben mußten. Nach einer Weile entstand unter ihnen eine gewisse Unruhe – sogar Ungeduld. Offensichtlich warteten sie auf etwas, das verspätet war.
Endlich näherte sich eine Frauengestalt in scharlachrotem Mantel, die einen silbernen Stab trug, vom Haus des Königs kommend, dem Garten. Es entstand eine allgemeine Bewegung in Richtung des Tores, das in die ummauerte Straße führte, so daß, als die Frau dort ankam, bereits vierzig oder fünfzig Männer auf sie warteten. Als sie eintrat, drängten sich einige um sie; andere blieben müßig oder vorgeblich müßig, scheinbar gleichgültig in Hörweite stehen. Die strenge, phlegmatische Frau sah sich unter ihnen um, hob grüßend die Hand mit den karminroten Holzringen und begann zu sprechen. Sie sprach zwar beklanisch, doch war klar, daß es nicht ihre Muttersprache war. Ihre Stimme hatte den schleppenden, langweiligen Rhythmus der Provinz Telthearna, und sie war, wie alle wußten, eine Priesterin der Eroberer, eine Ortelganerin.
»Meine Herren, der König grüßt euch und heißt euch in Bekla willkommen. Er dankt jedem von euch, denn er weiß, daß euch allen die Stärke und Sicherheit des Reiches am Herzen liegen. Wie ihr alle wißt, war es – «
In diesem Augenblick wurde sie durch das aufgeregte Stammeln eines untersetzten, glatthaarigen Mannes unterbrochen, der mit dem westlichen Akzent eines Bewohners von Paltesh sprach.
»Mutter Sheldra – Saiyett – sag uns – der König – Crendrik, der Herr – es ist ihm doch nichts zugestoßen?«
Sheldra wandte sich ihm ernst zu und starrte ihn Schweigen heischend an. Dann fuhr sie fort:
»Wie ihr alle wißt, hatte er die Absicht, euch heute morgen in Audienz im Palast zu empfangen und heute nachmittag die erste Ratssitzung abzuhalten. Nun ist er gezwungen, diese Absicht zu ändern.«
Sie machte eine Pause, wurde aber kein zweites Mal unterbrochen. Alle hörten aufmerksam zu. Die entfernter Stehenden kamen näher und blickten einander mit hochgezogenen Brauen an.
»General Ged-la-Dan sollte gestern abend zusammen mit den Abgesandten aus Ost-Lapan eintreffen. Sie wurden jedoch unerwartet aufgehalten. Bei Morgengrauen brachte ein Bote dem König die Nachricht, daß sie erst heute abend ankommen werden. Daher ersucht euch der König um einen Tag Geduld. Die Audienz wird morgen um diese Zeit stattfinden, und die Ratssitzung wird am Nachmittag beginnen. Bis dahin seid ihr Gäste der Stadt, und dem König sind alle willkommen, die eine Stunde nach Sonnenuntergang mit ihm das Abendessen einzunehmen wünschen.«
Ein großer bartloser Mann, der einen Fuchspelzmantel über einem weißen Faltenrock und einer purpurfarbenen, mit einem Wappen von drei Krongarben verzierten Waffenjacke trug, kam elegant über die Terrasse geschlendert und richtete seinen Blick auf die Menge, als bemerke er sie soeben zum erstenmal. Er blieb einen Moment stehen, dann sagte er zu Sheldra über die Köpfe hinweg in dem höflichen, fast um Entschuldigung bittenden Ton eines Herrn, der den Diener eines anderen befragt.
»Was könnte wohl den General aufgehalten haben? Willst du vielleicht so freundlich sein, mir das zu sagen?«
Sheldra antwortete nicht sofort, und ihre Selbstbeherrschung schien der Frage oder dem Frager nicht ganz gewachsen zu sein. Anscheinend dachte sie nicht so sehr über die Frage nach, als daß sie hoffte, sie würde verschwinden wie ein lästiges Insekt. Die Frau zeigte keine wirkliche Verwirrung, aber nach einiger Zeit wandte sie sich um, den Blick auf den Boden gesenkt und den Augen des großen Mannes ausweichend, wie eine Gouvernante oder Dueña in einem reichen Hause aus der Fassung
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