Shardik
grinste wieder.
»Wir sind in vornehmer Gesellschaft.«
»In der schlechtesten«, erwiderte Kelderek. »Ich will nur mein Leben und das der Priesterin retten – vielleicht, indem ich euch helfe.«
»Wie?«
»Das müßt ihr mir sagen. Mir wurde versichert, ich müsse sterben, wenn ich nochmals der Armee aus Yeldashay in die Hände falle. Wenn also Santil Bel-ka-Trazets Angebot annimmt und Truppen nach Zeray schickt, wird es für mich wahrscheinlich schlimm ausgehen, es sei denn, ihr könnt sie überreden, mir von hier freies Geleit zu geben. Das hoffe ich mit euch auszuhandeln.«
Farrass hatte das Kinn auf eine Hand gestützt und blickte stirnrunzelnd und nachdenklich zu Boden, und wieder war es Thrild, der sprach.
»Du darfst uns nicht überschätzen. Der Baron hatte zu Lebzeiten eine gewisse Autorität, wir aber haben nun, ohne ihn, immer weniger. Vorläufig sind wir noch sicher, aber das ist auch alles. Wahrscheinlich würden sich die Leute aus Yeldashay wenig darum kümmern, was wir von ihnen wünschen.«
»Du hast uns schon durch die Nachricht, daß Santil in Kabin ist, einen Gefallen erwiesen«, sagte Farrass. »Hast du gehört, ob er die Botschaft des Barons erhalten hat?«
»Nein. Wenn aber, wie er glaubt, flüchtige Sklavenhändler diesseits des Vrakos sind, haben wahrscheinlich schon Truppen aus Yeldashay den Ruß überquert. Auf jeden Fall, glaube ich, solltest du ihm sofort noch einen Boten schicken und um jeden Preis versuchen, hier Ordnung zu halten, bis du eine Antwort bekommst.«
»Wenn er in Kabin ist«, sagte Farrass, »wäre es für uns, wenn auch vielleicht nicht für dich, das aussichtsreichste, mit Melathys hinzugehen und ihn zu ersuchen, uns nach Ikat durchzulassen.«
»Farrass hat eigentlich nie den Plan gebilligt, daß Santil nach Zeray kommen und es erobern solle«, sagte Thrild. »Da nun der Baron tot ist, bin auch ich seiner Ansicht. Der Baron hätte ihm die Stadt übergeben können – wir nicht. Für uns wäre es besser, mit den Leuten aus Ikat in Kabin zusammenzutreffen. Du mußt unsere Lage verstehen. Wir erheben keinen Anspruch, Gesetz und Ordnung einzuhalten. In Zeray kann jeder morden und stehlen, solange er nicht so gefährlich wird, daß es für uns sicherer ist, ihn zu töten, als ihn in Ruhe zu lassen. Mit wenigen Ausnahmen haben alle Menschen in diesem Ort irgendein schweres Verbrechen begangen. Wenn sie erführen, daß wir Soldaten aus Ikat eingeladen haben, hierherzukommen und die Stadt einzunehmen, würden sie auf uns losgehen wie in die Ecke getriebene Ratten. Es lohnt sich nicht für uns, den Plan des Barons weiter zu verfolgen.«
»Es gibt doch aber in Zeray keinen Reichtum. Weshalb tötet und stiehlt man hier?«
Thrild warf die Hände hoch. »Weshalb? Um zu leben, was sonst? In Zeray hungern die Menschen. Einmal ließ der Baron zwei Männer aus Deelguy hängen, weil sie ein Kind getötet und verzehrt hatten. In Zeray essen die Menschen Raupen – sie graben Schlammskapas aus dem Fluß, um daraus Suppe zu kochen. Kennst du die Gylonfliege?«
»Die Glasfliege? Ja. Ich bin ja am Telthearna aufgewachsen.«
»Im Sommer bedecken ganze Schwärme die Ufer. Die Leute schaufeln Hände voll davon zusammen und sind dankbar dafür.«
»Nur weil wir Anhänger des Barons wissen, daß wir zusammenhalten oder sterben müssen«, sagte Farrass, »hat vorläufig noch keiner von uns versucht, seine Frau zu nehmen. Ein Streit unter uns wäre unser aller Ende. Aber das kann so nicht lange bleiben. Bald wird es doch einer versuchen. Sie ist hübsch.«
Kelderek zog die Schultern hoch, sein Gesicht blieb ausdruckslos.
»Sie kann doch wohl selbst wählen, sobald sie das will?«
»Nicht in Zeray. Aber das Problem ist nun ohnehin gelöst. Wir müssen nach Kabin, und sie wird bestimmt mit uns kommen. Deine ortelganische Priesterin auch, wenn sie am Leben bleiben will.«
»Wie bald? Sie hat hohes Fieber.«
»Dann können wir nicht auf sie warten«, sagte Thrild.
»Ich bringe sie nach Norden, sobald sie sich erholt hat«, sagte Kelderek. »Ich habe dir ja erklärt, weshalb ich weder jetzt noch später nach Kabin gehen kann.«
»Wenn du nach Norden gehst, wirst du umherwandern, bis du getötet wirst. Du würdest nie durch den Durchlaß bei Linsho kommen.«
»Du sagtest, ich hätte euch gute Nachricht gebracht. Könnt ihr nichts tun, um mir zu helfen?«
»Nicht, wenn du hier bleibst. Wenn die Ikater uns Gehör schenken, werden wir versuchen, sie zu überreden, deine ortelganische
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