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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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Gefahr und sogar der Tod wenig galten, verglichen mit dem Elend des Schuldigen, das entgegen aller Erwartung von ihr genommen wurde. Kelderek hatte, trotz allem, was er am Grab des Barons gesehen hatte, bis jetzt nicht geahnt, daß all ihr Leiden in Zeray ihr weniger Kummer bereitet hatte als die Erinnerung an ihre Flucht aus Ortelga.
    Der Tuginda schien es nicht besserzugehen, sie wurde von dauernder Ruhelosigkeit geplagt. Als es Abend wurde, blieb Ankray bei ihr, während Melathys und Kelderek im letzten Tageslicht die Schlösser und Sperrstangen kontrollierten und die Nahrungsmittel und Waffen überprüften. Melathys erklärte, daß der Baron über gewisse, sogar seinen Gefolgsleuten verschwiegene Lieferquellen verfügt habe, die er oder Ankray dann und wann des Nachts aufsuchten, um eine entwendete Ziege oder ein halbes Schaf aus einem Dorf am Fluß zu holen. Das Haus war noch ziemlich gut mit Fleisch versorgt. Es gab auch genug Salz und etwas herben Wein.
    »Hat er dafür bezahlt?« fragte Kelderek mit einem befriedigten Blick auf die Keulen in Salzlake, wobei ihm einfiel, daß er nie erwartet hätte, Bel-ka-Trazet gegenüber jemals Dankbarkeit zu empfinden.
    »Hauptsächlich, indem er versprach, daß die Dorfbewohner von Zeray aus nicht belästigt würden. Er hatte aber auch stets gute Einfälle, Dinge zu finden oder herzustellen, mit denen wir Tauschhandel treiben konnten. Wir fertigten zum Beispiel Pfeile und Nadeln aus Knochen an. Ich bin auch nicht ganz ungeschickt. Jede Bewerberin für Quiso muß ihre Ringe selbst schnitzen, aber jetzt kann ich noch besser Holz schnitzen, das kannst du mir glauben. Erkennst du das wieder? Ich benutze es gern.«
    Es war Bel-ka-Trazets Messer. Kelderek erkannte es sofort, zog es aus der Scheide und hielt die Spitze dicht vor seine Augen. Sie beobachtete ihn verwundert, und er lachte.
    »Ich habe, möchte ich sagen, allen Grund, mich besser daran zu erinnern als irgendein anderer in Ortelga. Ich sah das Messer und unseren Herrn Shardik am selben Tag zum erstenmal – an dem Tag, an dem ich dich kennenlernte. Ich werde es dir beim Abendessen erzählen. Hatte er ein Schwert?«
    »Hier ist es. Und einen Bogen. Auch ich habe noch meinen Bogen. Ich versteckte ihn kurz nach meiner Ankunft in Zeray, holte ihn aber wieder hervor, als ich mich dem Baron anschloß. Mein Priesterinnenmesser wurde natürlich gestohlen, aber der Baron gab mir ein anderes – von einem Toten, nehme ich an, wenn er es mir auch nie gesagt hat. Es ist grob gearbeitet, aber die Klinge ist gut. Und hier, ich will dir etwas zeigen – «
    Sie war wie ein Mädchen, das seine Aussteuer durchsieht. Es fiel ihm ein, wie er vor Jahren eine Käfigfalle für Vögel gebaut hatte und dann einen Falken darin fand. Es gab keine Nachfrage für Falken – der Händler aus Bekla wollte bunte Federn und Vögel, die man im Käfig halten konnte –, und da er keine Verwendung für ihn hatte, ließ er ihn frei und sah zu, wie er erfreut über die Wiedererlangung seines harten, gefährlichen Lebens davonflog. Nachdem Kelderek am Nachmittag durch Zeray gewandert war, glaubte er nun alles, was ihm von plötzlichen, unerwarteten Gefahren, von Wollust und Mord erzählt worden war, die unter halb verhungerter Stumpfheit lauerten wie Alligatoren im Wasser eines stinkenden Flußlaufs. Melathys jedoch, die mehr Grund als irgendwer hatte, von diesen Dingen zu wissen, befand sich sichtlich in einem so unverletzbaren Zustand der Gnade, daß all das, zumindest im Augenblick, sie nicht zu ängstigen vermochte. An ihm lag es, dafür zu sorgen, daß sie sich nicht unüberlegt in Gefahr brachte.
    Die Tuginda lag noch immer in ihrem dumpfen Schlaf; einem Schlaf, so trostlos wie ersticktes, rauchendes Feuer, bei dem sie nicht Nutznießerin, sondern Opfer zu sein schien. Ihr Gesicht was passiv und eingefallen, wie Kelderek es noch nie gesehen hatte. Das Fleisch an ihren Armen und an ihrem Hals wirkte schlaff und verfallen. Ankray kochte eine Suppe aus Salzfleisch und ließ sie auskühlen, aber man konnte nur ihre Lippen befeuchten, denn sie schluckte nichts. Als Kelderek vorschlug, sie sollten ausgehen und Milch besorgen, schüttelte Ankray nur den Kopf, ohne den Blick vom Boden zu wenden.
    »In Zeray gibt es keine Milch«, sagte Melathys, »keinen Käse, keine Butter. Ich habe in fünf Jahren noch keine gesehen. Aber du hast recht – sie müßte frische Nahrung bekommen. Salzfleisch und Trockenfrüchte sind keine Kur gegen Fieber. Heute abend

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