Shardik
Telthearnaufer und hatte gefunden, was er suchte: einen tiefen Weiher am Ufer, bei dem Bäume und Gebüsch Deckung boten.
Er merkte erfreut, daß er seine alte Fertigkeit noch besaß. Wie ein Mann, der durch einen Prozeß, durch finanzielle Schwierigkeiten oder Sorge um eine Frau belastet ist, dennoch Vergnügen und Trost in einem geschickt geführten Spiel oder in einer Pflanze, die er zum Blühen gebracht hat, finden kann (denn das Herz ahnt genau, wenn der Verstand es auch irrezuführen versucht, wo wahre Freude zu finden ist), so fand Kelderek trotz seiner Überzeugung, daß er in Zeray sterben würde, trotz seiner Angst um die Tuginda, seines Schmerzes über die begangenen Sünden und der Hoffnungslosigkeit seines Verlangens nach Melathys (denn welche Möglichkeit konnte es noch geben, in der ihm an diesem bösen Ort noch gewährten Zeit die Wunden zu heilen, die ihr die Männer zugefügt hatten?) dennoch Trost in dem windstillen, wolkigen Nachmittag, in dem Licht auf dem Wasser, in der nur durch die leise Brise und das Rauschen des Flusses gestörten Stille und in seiner Geschicklichkeit, ohne die jeder andere die Zeit damit vergeudet hätte, am Ende einer regungslosen Angelleine zu warten. Hier gab es wenigstens etwas, das er tun konnte – und es war schade, dachte er bitter, daß er jemals davon abgelassen hatte. Wäre er nicht, wenn Shardik nicht aufgetaucht wäre, ein zufriedener Jäger und Fischer geblieben, Kelderek, der Kinderspielfreund, dem seine einsam und schwer erworbene Geschicklichkeit und die abendlichen Spiele am Ufer genügten? Er schob die Gedanken von sich und machte sich ernstlich ans Werk.
Nachdem er eine Weile lang hingestreckt versteckt gelegen und mit Grundköder den Weiher sorgfältig ausgefischt hatte, bekam er einen Fisch an den Haken, den er sehr vorsichtig mit der leichten Handleine manövrieren mußte, bis er endlich an die Oberfläche kam und sich als eine ziemlich große Forelle erwies. Nach einigen Minuten gelang es ihm, sie mit Daumen und Finger in den Kiemen zu fassen. Darauf leckte er seine blutenden Schrammen und warf die Angel wieder aus.
Bis zum frühen Abend hatte er noch drei Forellen und einen Barsch gefangen, einen Haken sowie eine Leine verloren und allen Köder verbraucht. Die Luft war feucht und kühl, der aufgeklarte Himmel wies leichte Federwolken auf, und Kelderek konnte Zeray weder hören noch riechen. Eine Zeitlang blieb er neben dem Weiher sitzen und überlegte, ob es nicht am besten für sie beide wäre, wenn sie nach Genesung der Tuginda Zeray verließen und nun, da der Sommer nahte, im Freien lebten und jagten, wie sie in Ortelga in der Zeit von Shardiks Genesung und seinen ersten Wanderungen gelebt hatten. Sie wären vor Mordanschlägen sicherer als in Zeray und mit Ankrays Hilfe imstande, sich recht gut mit Nahrung zu versorgen. Was sein Leben anlangte, so wäre, falls Erketlis’ Truppen kämen, und sogar wenn sie einen Preis auf seinen Kopf setzten, seine Aussicht zu entfliehen immer noch besser, als wenn er in Zeray auf sie wartete. Er beschloß, noch am selben Abend Melathys diesen Vorschlag zu unterbreiten, rollte sorgfältig die Angelleinen auf, befestigte die Fische an einem Stock und machte sich auf den Rückweg.
Es dämmerte, als er den Bach überquerte, doch er konnte, als er durch den Nebel, der schon die Ufergegend bedeckte und nun landeinwärts zu ziehen schien, in die Richtung nach Zeray blickte, keine einzige Lampe brennen sehen. Plötzlich erfaßte ihn eine heftigere Furcht, als er bisher in dieser Aschengrube mit ausgebrannten Schurken empfunden hatte, und er schnitt sich, bevor er weiterging, einen Knüttel von einem Baum. Seit der Nacht auf dem Schlachtfeld war er nicht nach Einbruch der Dunkelheit allein im Freien gewesen, und als es stärker dunkelte, wurde er immer nervöser und unruhiger. Um dem Friedhof auszuweichen, bog er rechts ab, bald stolperte er an schlammigen Teichen und menschenkopfgroßen, groben Grasbüscheln vorbei. Als er endlich in die Vorstadt von Zeray kam, wußte er nicht, in welcher Richtung das Haus des Barons liegen mochte. Häuser und Hütten standen aufs Geratewohl umher wie Ameisenhaufen auf einem Feld. Es gab keine erkennbaren Straßen oder Gassen wie in einer wirklichen Stadt, auch keine Nichtstuer oder Spaziergänger, und obwohl er nun da und dort schwachen Lichtschein durch Türspalten und Fensterläden sehen konnte, schien es ihm unklug anzuklopfen. Eine Stunde lang – oder mehr oder weniger –
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