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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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wanderte er tastend im Dunkel umher, schrak bei jedem Geräusch zusammen und stellte sich schließlich mit dem Rücken an die nächste Mauer; beim Weitergehen erwartete er jeden Augenblick einen Schlag auf den Hinterkopf. Als er zu den wenigen Sternen emporblickte, die durch den Nebel sichtbar waren, und zu entscheiden versuchte, in welche Richtung er gehen sollte, merkte er plötzlich, daß das Dach, welches sich gegen den Himmel abzeichnete, zum Haus des Barons gehörte. Er eilte zum Eingang, stolperte über etwas Schmiegsames und fiel der Länge nach in den Schmutz. Sofort öffnete sich nebenan eine Tür, und zwei Männer erschienen, einer trug ein Licht. Kelderek hatte gerade noch Zeit, auf die Beine zu kommen, bevor sie bei ihm standen.
    »Bist über den Strick gefallen, wie?« sagte der Mann ohne Licht, der eine Axt in der Hand trug. Er sprach beklanisch, und als er sah, daß Kelderek ihn verstand, fuhr er fort: »Dazu ist der Strick ja auch da. Was treibst du dich hier herum, he?«
    »Das tue ich nicht – ich gehe heim«, sagte Kelderek, ohne sie aus den Augen zu lassen.
    »Heim?« Der Mann lachte kurz. »Das erstemal, daß einer in Zeray das so nennt.«
    »Gute Nacht«, sagte Kelderek. »Entschuldigt die Störung.«
    »Nicht so schnell«, sagte der andere und trat zur Seite. »Bist wohl ein Fischer, wie?« Plötzlich stutzte er, hob sein Licht hoch und blickte Kelderek forschend an. »Mein Gott!« sagte er. »Ich kenne dich. Du bist der ortelganische König von Bekla!«
    Nun starrte ihn der erste Mann an. »Verdammt, er ist es«, sagte er. »Stimmt es nicht? Der ortelganische König, der mit dem Bären redete?«
    »Mach dich nicht lächerlich«, sagte Kelderek. »Ich weiß gar nicht, was du meinst.«
    »Wir waren früher Beklaner«, sagte der zweite, »bis wir fliehen mußten, weil wir einen ortelganischen Scheißkerl erstochen haben, der’s verdiente. Mir scheint, jetzt bist du an der Reihe. Hast wohl deinen Bären verloren, oder?«
    »Ich war nie im Leben in Bekla, hab den Bären nie gesehen.«
    »Aber du bist doch ein Ortelganer«, sagte der zweite. »Glaubst du, wir merken das nicht? Du redest genau wie diese Scheißkerle – «
    »Und ich sage dir, ich war nie fort von Ortelga, bis ich hierherkommen mußte, und den Bären würde ich nicht erkennen, wenn ich ihn sähe. Zur Hölle mit dem Bären!«
    »Du dreckiger Lügner!« Der erste Mann schwang seine Axt, Kelderek versetzte ihm schnell einen Schlag mit dem Knüppel, drehte sich um und rannte fort. Das Licht verlöschte ihnen, als sie ihm folgten, und sie blieben unsicher stehen. Er stand vor der Tür zum Hof, hämmerte darauf und schrie: »Ankray! Ankray!« Sofort liefen sie ihm nach. Er schrie nochmals, ließ die Fische fallen, faßte seinen Knüppel und bot ihnen die Stirn. Er hörte, wie die Riegel geöffnet wurden. Dann ging die Tür auf, und Ankray trat neben ihn, stach mit einem Speer ins Dunkel und fluchte wie ein Bauer mit einem angepflockten Stier. Die sich nähernden Schritte verlangsamten sich, Kelderek hatte noch die Geistesgegenwart, seine Fische aufzuheben, stieß Ankray durch die Tür in den Hof und schloß hinter sich ab.
    »Gott sei Dank, daß es nicht schlimmer war, Herr«, sagte Ankray. »Ich warte hier draußen auf dich seit Sonnenuntergang. Ich dachte, du seist wohl in irgendwelche Schwierigkeiten geraten. Die Priesterin war in großer Sorge. Nach Einbruch der Nacht ist es immer gefährlich.«
    »Ein Glück für mich, daß du gewartet hast«, sagte Kelderek. »Danke für deine Hilfe. Diese Leute scheinen die Ortelganer nicht zu lieben.«
    »Das hat nichts mit Ortelganern zu tun, Herr«, sagte Ankray vorwurfsvoll. »In Zeray ist keiner sicher, sobald es dunkel wird. Der Baron hat immer – «
    Melathys erschien in der Innentür, sie hielt eine Lampe über dem Kopf und starrte schweigend hinaus. Als sie näher kam, merkte er, daß sie zitterte. Er lächelte, aber sie blickte ernst, verloren und bleich wie der Mond bei Tageslicht zu ihm empor. In einer plötzlichen Regung und im Gefühl, es sei das Natürlichste auf der Welt, legte er einen Arm um ihre Schulter, neigte sich nieder und küßte sie auf die Wange. »Sei nicht böse«, sagte er, »ich verspreche dir, die Lektion werde ich mir merken – und zumindest habe ich dafür etwas vorzuweisen.« Er setzte sich beim Herd nieder und warf ein Holzscheit in die Glut. »Bring mir einen Eimer, Ankray, dann werde ich diese Fische ausnehmen. Und auch warmes Wasser, wenn du welches hast.

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