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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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einen Menschen, der dessen sicher ist, und das ist er selbst.«
    Die Tuginda schloß müde die Augen, und Melathys legte den Kamm nieder.
    »Du solltest jetzt wieder ruhen, Saiyett«, sagte sie, »und dann etwas zu essen versuchen. Ich gehe gleich in die Küche, denn bevor ich kochen kann, muß ich Feuer machen.«
    Die Tuginda nickte, ohne die Augen aufzuschlagen. Kelderek folgte Melathys aus dem Zimmer. Nachdem er das Holz aufgeschichtet hatte, entzündete sie es mit einem gewölbten Stück Glas, das sie in einen Sonnenstrahl hielt. Ihm genügte es, ihr bei der Zubereitung der Mahlzeit zuzusehen, er sagte nur gelegentlich ein Wort oder reichte ihr dies oder jenes, das sie brauchte. Der Raum schien so von Ruhe und Geborgenheit erfüllt wie von Sonnenschein, und vorläufig bereitete ihm die Zukunft ebensowenig Sorge wie den Insekten, die draußen im hellen Licht fröhlich umherschwirrten.
    Als es dann gegen Mittag so warm im Hof wurde wie im Sommer, schöpfte Melathys Wasser aus dem Brunnen, wusch die Alltagskleider und legte sie zum Trocknen in die Sonne. Sie kam zurück in den Hausschatten, setzte sich auf das schmale Fensterbrett und trocknete sich Hals und Stirn mit einem groben Tuch ab.
    »Anderswo können Frauen ganz selbstverständlich zum Fluß gehen und dort Kleider waschen«, sagte sie. »Dafür sind Flüsse da – fürs Waschen und Schwatzen; aber nicht in Zeray.«
    »Und auf Quiso?«
    »Auf Quiso waren wir oftmals weniger feierlich, als du vielleicht annimmst. Aber ich dachte an irgendeine Stadt oder ein Dorf, wo gewöhnliche, ordentliche Menschen furchtlos ihren täglichen Geschäften nachgehen können, ohne, einer Kette gleich, Schande hinter sich herzuschleppen. Wäre es nicht herrlich – würde es nicht wie ein Wunder scheinen –, einfach zum Markt zu gehen, mit einem Ladenbesitzer zu handeln, auf der Straße zu schlendern und etwas zu essen, das man offen und ehrlich gekauft hat, und einer Freundin etwas davon zu geben, während man am Fluß mit ihr plaudert? Ich erinnere mich an solche Dinge – weißt du, die Mädchen auf Quiso befaßten sich recht oft mit den Geschäften der Insel; in gewisser Weise waren wir freier als andere Frauen. Der kleinen, gewöhnlichen Freuden beraubt zu sein, welche für anständige Menschen selbstverständlich sind – das ist Gefangenschaft, das ist Strafe, Kummer und Schaden. Wenn die Menschen solche Dinge richtig schätzten, würden sie einander das allgemeine Vertrauen und die Ehrlichkeit höher anrechnen, wovon sie abhängen.«
    »Du hast dafür eine gewisse Entschädigung. Die meisten Frauen können nicht so sprechen«, sagte Kelderek. »Für ein Dorfmädchen ist das Leben karg: kochen, weben, Kinder, Kleider auf Steinen sauberschlagen.«
    »Mag sein«, sagte sie, »vielleicht. Vögel singen in den Bäumen, finden ihre Nahrung, paaren sich, bauen Nester. Von anderem wissen sie nichts.« Sie blickte lächelnd zu ihm auf und zog das Tuch langsam an ihrem Nacken hin und her. »Das Leben der Vögel ist beschränkt. Aber fange einmal einen und stecke ihn in einen Käfig, dann findest du bald heraus, ob er das Verlorene schätzt.«
    Er sehnte sich so sehr, sie in die Arme zu nehmen, daß ihm einen Augenblick lang schwindlig wurde. Um seine Gefühle zu verbergen, neigte er sich über sein Messer und den halbfertigen Angelhaken.
    »Du singst auch«, sagte er, »ich habe dich gehört.«
    »Ja. Wenn du willst, werde ich jetzt singen. Manchmal habe ich auch für den Baron gesungen. Er hörte gern alte Lieder, die er kannte, aber es war ihm eigentlich gleichgültig, wer sie sang – auch Ankray war ihm recht. Wirklich, du solltest ihn mal hören!«
    »Nein – dich. Ankray kann ich ein andermal hören.«
    Sie erhob sich, warf einen Blick auf die Tuginda, verließ den Raum und kam mit einer einfachen, schmucklosen Hinnari aus hellfarbigem Sestuagaholz zurück, die am Griffbrett schon sehr abgenutzt war. Sie legte sie ihm in die Hände. Das Instrument war verzogen und beträchtlich verstimmt.
    »Sag nichts gegen das Instrument!« meinte sie. »Soviel ich weiß, ist es das einzige in Zeray. Man fand es auf dem Fluß treibend, und der Baron gab nach und erbettelte sich die Saiten aus Lak. Wenn sie reißen, gibt es keinen Ersatz mehr.«
    Sie setzte sich wieder auf das Fensterbrett, zupfte eine Weile leise an den Saiten und stimmte geduldig die spröde Hinnari, so gut das möglich war. Dann blickte sie auf ihren Schoß, als sänge sie nur für sich, und sang die alte Ballade von

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