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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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U-Deparioth und der Silberblume von Sarkid. Kelderek kannte die Geschichte – die dort im Land noch als wahr erzählt wird –, wie Deparioth, von Verrätern in dem schrecklichen Blauen Wald verlassen, wo er allein umherwandern sollte, bis er stürbe, und längst aufgegeben von seinen Freunden und Dienern, durch ein geheimnisvolles und schönes, wie eine Königin gekleidetes Mädchen aus seiner Verzweiflung in der öden Wildnis gerettet wurde. Sie pflegte seine Wunden, suchte ihm Früchte, eßbare Pilze und Wurzeln, gab ihm neuen Mut und führte den humpelnden Mann Tag um Tag durch das Waldlabyrinth, bis sie schließlich zu einem Ort kamen, den er kannte. Als er sich aber umwandte, um sie zu seinen Freunden zu führen, die ihm entgegengelaufen kamen, war sie verschwunden, und er sah nur eine hohe Silberlilie, die dort blühte, wo sie im hohen Gras gestanden hatte. Verzweifelt schluchzend sank er zu Boden, und später sehnte er sich immer wieder zurück nach den entbehrungsreichen Tagen, die er mit ihr im Wald verlebt hatte.
     
    Oh, gib mir wieder jenes menschenleere Moor,
    die Brombeersträucher und die Dornen, die verletzen!
    Dort lag mein wundervolles Reich, das ich verlor.
    Des Hofes Wüste hier kann mir das nie ersetzen.
     
    Als sie geendet hatte, schwieg sie, und auch er sprach nicht, er wußte, daß er nichts zu sagen brauchte. Sie zupfte noch eine Weile an den Saiten, dann verfiel sie, wie einer Eingebung folgend, auf das Liedchen »Katze fängt Fisch«, das Generationen von ortelganischen Kindern gekannt und am Strand gesungen hatten. Er mußte verzückt auflachen, weil er so überrascht war, denn er hatte, seit er aus Ortelga fort war, das Lied nicht mehr gehört und nicht mehr daran gedacht.
    »Hast du denn in Ortelga gelebt?« fragte er. »Ich erinnere mich deiner nicht als Kind.«
    »In Ortelga – nein. Das Lied lernte ich als Kind auf Quiso.«
    »Du warst schon als Kind auf Quiso?« Was ihm Rantzay einst erzählte, hatte er vergessen. »Wann also – «
    »Du weißt nicht, wie ich nach Quiso kam? Ich will es dir sagen. Ich wurde auf einer Sklavenfarm in Toniida geboren und kann mich, auch wenn ich sie gekannt haben sollte, an meine Mutter nicht erinnern. Das war vor den Sklavenkriegen, und wir waren nichts als Waren, die zum Verkauf zur Schau standen. Als ich sieben Jahre alt war, wurde die Farm von Santil-ke-Erketlis und den Heldrils erobert. Ein verwundeter Hauptmann sollte nach Quiso fahren, um von der Tuginda geheilt zu werden, und er nahm mich und ein Mädchen namens Bria mit, wir sollten zu Priesterinnen erzogen werden. Bria entfloh, ehe wir den Telthearna erreichten, und ich erfuhr nie, was aus ihr geworden ist. Aber ich wurde ein Kind der Terrassen.«
    »Warst du glücklich?«
    »O ja. Ein Heim zu haben und weise, gute Menschen, die für dich sorgen, nachdem du zum Bestand einer Sklavenfarm gehört hast – du kannst dir nicht vorstellen, was das heißt. Er ist nicht unheilbar, weißt du – der Schaden, der einem mißhandelten Kind zugefügt wurde. Alle waren nett zu mir, ich wurde verwöhnt. Ich kam gut vorwärts – ich war nämlich nicht dumm –, und ich wuchs in dem Glauben auf, ich sei Gottes Geschenk für Quiso. Deshalb war ich, zum gegebenen Zeitpunkt, für kein wirkliches Opfer geeignet, wie es die arme Rantzay war.« Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie: »Aber seither habe ich gelernt.«
    »Tut es dir leid, daß du nie wieder zurück nach Quiso kannst?«
    »Jetzt nicht; ich sagte dir ja, es wurde mir klargemacht – «
    Er unterbrach sie. »Nicht zu spät?«
    »Ach ja«, antwortete sie, »es ist immer zu spät.« Sie erhob sich, ging auf dem Weg zum Zimmer der Tuginda knapp an ihm vorbei, beugte sich nieder, und ihre Lippen streiften sein Ohr. »Nein, es ist nie zu spät.« Kurz darauf rief sie ihn, er solle kommen und der Tuginda zu einem Sitz am Feuer helfen, während sie das Bett machte und im Zimmer aufkehrte.
    Am Spätnachmittag wurde die Sonne schwächer und der Hof schattig. Sie saßen draußen bei dem Feigenbaum neben der Mauer, Melathys auf einer Bank unter dem offenen Fenster der Tuginda, Kelderek auf dem Deckstein des Brunnens. Nach einer Weile erhob er sich, in seiner Erinnerung beunruhigt durch das Glucksen und Flüstern tief unten im Schacht, und begann die Kleider einzusammeln, die sie am Vormittag zum Trocknen ausgebreitet hatte.
    »Einige sind noch nicht trocken, Melathys.«
    Sie streckte sich lässig, wölbte den Rücken und hob ihr Gesicht gegen den

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