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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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zu sprengen und sich über das Land zu ergießen. Viele schoben wie Zilthe ihre Arme zwischen den Stangen durch, um ihren Herrn Shardik zu berühren, weil sie glaubten und fühlten, daß seine leibhaftige Stärke ihnen Kraft verleihe.
    In diesen bösen Traum fiel der Regen, vermengte sich mit Schweiß, tröpfelte salzig über geschwollene Lippen und brannte in aufgeplatzten Blasen; er bewegte die Blätter und band den Staub in der Luft. Balthis hob den Kopf zum Himmel, trat fehl und stolperte gegen Kelderek.
    »Regen«, knurrte er. »Der Regen, mein Junge! Was soll nun geschehen?«
    »Was?« murmelte Kelderek zwinkernd, als habe der Schmied ihn geweckt.
    »Der Regen, sag ich, der Regen! Was soll nun aus uns werden?«
    »Das weiß Gott«, antwortete Kelderek. »Vorwärts – nur weiter.«
    »Aber im Regen können sie sich doch nicht bis Bekla durchschlagen. Warum machen wir nicht kehrt, solange es noch geht – und retten unser Leben?«
    »Nein!« rief Kelderek leidenschaftlich. »Nein!« Balthis brummte und sagte nichts mehr.
    Oftmals mußten sie stehenbleiben, und ebensooft gingen sie wieder weiter. Einmal versuchte Kelderek zu zählen, um wie viele sie schon weniger waren, geriet aber durcheinander und gab es auf. Sencred war nirgends zu sehen. Von den Mädchen fehlten Nito, Muni und zwei oder drei andere. Die übrigen blieben weiter neben dem Käfig, von Kopf bis Fuß beschmiert mit dem regennassen, von den Rädern hochgespritzten Schlamm. Das Licht nahm ab; in einer Stunde würde es dunkel sein. Von dem Heer war nichts zu sehen, und Kelderek wurde zu seiner Verzweiflung klar, daß seine Gruppe erschöpfter Nachzügler höchstwahrscheinlich gezwungen sein würde, die Nacht in der Wildnis dieser Vorberge zu verbringen. Er würde nicht imstande sein, sie zusammenzuhalten. Sie würden noch vor Morgengrauen zu zitternden, kranken, rebellischen Opfern panischer Angst werden. Und wenn Zilthe recht behielt, würde Shardik vor Tagesanbruch erwachen.
    Balthis kam wieder an seine Seite.
    »Es steht schlimm, weißt du, junger Mann«, brummte er zwischen den Zähnen. »Wir werden bald anhalten müssen: es wird dunkel. Und was soll dann geschehen? Am besten, wir beide gehen allein weiter – suchen den jungen Baron auf und bitten ihn, uns Helfer zu schicken. Aber wenn du mich fragst, wird er selbst den Rückweg antreten müssen, wenn er am Leben bleiben will. Du kennst ja den Regen. Nach zwei Tagen kommt nicht einmal eine Ratte mehr vorwärts, geschweige denn Menschen.«
    »Hör doch!« sagte Kelderek. »Was ist das für ein Lärm?«
    Sie waren an der höchsten Stelle einer langen Steigung angelangt, wo die Straße sich durch dichten Wald bergab schlängelte. Die Männer an den Seilen standen still, einige sanken in den Schlamm nieder, um auszuruhen. Erst schien es kein Geräusch zu geben außer dem durch die Blätter strömenden Regen rund um sie. Dann drang wieder leise der Lärm an Keldereks Ohr, den er anfänglich gehört hatte – entfernte Rufe, scharf und kurz wie fliegende Funken, wirre, einander wie Wellen auf einem Teich überlagernde Stimmen. Er blickte von einem Mann zum nächsten. Alle erwiderten seinen Blick und warteten darauf, daß er ihren Gedanken bestätigte.
    »Das Heer!« rief Kelderek.
    »Ja, aber weshalb schreien sie?« fragte Balthis. »Klingt nach einem Tumult.«
    Sheldra lief nach vorn und legte die Hand auf Keldereks Arm.
    »Herr! Sieh doch!« rief sie, mit dem Finger weisend. »Unser Herr Shardik erwacht!«
    Kelderek wandte sich dem Käfig zu. Der Bär kauerte mit noch geschlossenen Augen in einer unnatürlichen, geduckten Stellung auf dem wackligen Fußboden; es sah nicht aus, als würde er schlafen, sondern eher wie die groteske Haltung eines riesenhaften Insektes – mit gewölbtem Rücken und unter dem Körper angezogenen Beinen. Sein Atem ging unregelmäßig und schwer, an seinem Maul hatte sich Schaum gebildet. Während man ihn beobachtete, bewegte er sich ungeschickt und hob unsicher und betäubt tastend eine Tatze an die Schnauze. Einen Augenblick hielt er den Kopf hoch, zog wie zum Knurren die Lippen empor und sank dann wieder zu Boden.
    »Wird er jetzt – sofort erwachen?« fragte Kelderek, unwillkürlich zusammenzuckend, als sich der Bär wieder regte.
    »Nicht sofort, Herr«, antwortete Sheldra, »aber bald – innerhalb einer Stunde.«
    Der Bär wälzte sich auf die Seite, die Stangen klapperten wie Nägel auf einer Bank, und die diesseitigen Räder schwankten und stellten sich unter

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