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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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neuen Angriff unter Führung eines dunkelhaarigen, bärtigen Barons mit goldenem Armring wieder formierte, überdachte er seinen Plan nochmals und konnte keinen Fehler darin finden; und wenn er es nicht konnte, würden vermutlich auch seine Vorgesetzten in Bekla daran nichts auszusetzen haben. Er durfte seine halbe Armee weder gefährden, indem er einen überflüssigen Angriff riskierte, noch indem er in diesen Hügeln im Regen durchhielt. Seine Rolle mußte die eines klugen, verläßlichen Kommandeurs sein; nichts Spektakuläres.
    Und doch – er zögerte. Wenn sie nach Bekla zurückkämen, würde Santil-ke-Erketlis, der brillante Opportunist, wahrscheinlich verständnisvoll lächeln und ihm sein wohlwollendes Bedauern ausdrücken, weil er abziehen mußte, ohne den Feind zu vernichten, und dann erklären, wie diese Vernichtung hätte bewerkstelligt werden können und sollen. »Bist du ein Oberkommandierender, Gel-Ethlin?« hatte Santil-ke-Erketlis einmal, als sie zusammen von einem Trinkgelage heimkehrten, gut gelaunt gesagt. »Mann, du bist wie eine alte Frau mit dem Haushaltsgeld. ›Ach, vielleicht hätte ich ihm noch einen Meld abknöpfen können – oder vielleicht hätte ich zu dem anderen Mann um die Ecke gehen sollen –?‹ Eine gute Armee schlägt zu wie die großen Katzen, mein Lieber – schnell und nur einmal. Es ist wie die Arbeit des Wagners – es kommt der Augenblick, da muß man sagen: ›Jetzt schlag drauf!‹ Ein General, der diesen Augenblick nicht erkennt und packt, verdient keinen Sieg.« Santil-ke-Erketlis, der Sieger zahlloser Gefechte, der am Schluß der Sklavenkriege praktisch seine Bedingungen diktierte, konnte es sich leisten, großzügig und warmherzig zu sein. »Und wie packt man diesen Augenblick?« hatte Gel-Ethlin ziemlich betrunken gefragt, als jeder von ihnen etwas anderes packte und sie sich an. die Wand stellten. »Indem man sich nicht damit aufhält, an all das zu denken, was schiefgehen kann«, hatte Santil-ke-Erketlis geantwortet.
    Wieder wurde ein Angriff über den Abhang herauf gestartet, diesmal geradeaus gegen sein Zentrum. Die Abteilung aus Toniida, eine zweitklassige Truppe, wenn es je eine gegeben hatte, verließ die geschlossene Formation in einer Art nervöser Vorahnung und ging den Angreifern unsicher entgegen. Gel-Ethlin lief vor und schrie: »Halt! Toniida, halt!« Man konnte ihm wenigstens nicht nachsagen, er habe keine Kommandostimme. Sie durchstieß das Getöse, wie ein Hammer einen Kiesel zerschlägt. Die Abteilung aus Toniida ging zurück und formierte ihre Linie neu, der Regen strömte von den Schultern der Männer. Kurz darauf stürmte der Angriff der Ortelganer über die letzten Meter und prallte wie ein Widder gegen eine Mauer. Waffen klirrten, Männer wogten vor und zurück, keuchend und schwer atmend wie Schwimmer, die in bewegtem Wasser um sich schlagen. Ein Schrei ertönte, und ein Mann stolperte aus der Linie, griff krampfhaft an seinen Bauch, stürzte vornüber in den Schlamm und blieb zuckend liegen; er glich in seinem unbeachteten Leiden einem verwundeten, an den Strand geworfenen, sterbenden Fisch. »Halt, Toniida!« rief Gel-Ethlin wieder. Ein rothaariger, grobknochiger Ortelganer sprang durch eine Lücke in der Linie und lief unsicher ein paar Schritte, blickte um sich und schwang sein Schwert. Ein Offizier stach nach ihm, verfehlte den Körper, der sich unerwartet bewegt hatte, und verwundete ihn am Unterarm. Der Mann drehte sich um und lief schreiend durch die Lücke zurück.
    Hinter der Linie lief Gel-Ethlin nach links, gefolgt von seinem Standartenträger, dem Trompeter und dem Diener, bis er sich jenseits der Angriffsstelle befand. Dann drängte er sich durch die vordere Reihe der Deelguy-Söldner, wandte sich um und blickte auf die Kämpfenden zu seiner Rechten. Das Getöse übertönte jedes andere Geräusch – den Regen, seine eigenen Bewegungen, die Stimmen seiner Begleiter und alle Laute aus dem Wald. Die Ortelganer hatten nun offensichtlich gelernt – oder einen Anführer mit genug Verstand gefunden –, die Flanken ihrer Angriffslinie zu decken, und hatten die Tonildafront in einem über fünfzig Meter breiten Keil durchbrochen. Sie kämpften, wie schon den ganzen Abend, mit einer Art trunkener Todesverachtung und Wildheit. Der zertrampelte, schlammige Boden, den sie erobert hatten, war mit Leichen übersät. Auch die beklanischen Verluste – das war nur allzu klar erkennbar – stiegen schnell an. Gel-Ethlin konnte einige der

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