Sharras Exil - 17
denken, was mit seinem Leichnam geschieht, sei er schön oder hässlich, und der Tote in der Hölle dafür zu viel andere Probleme hat. Was mich betraf, so hatte ich weder an den Himmel noch an die Hölle je geglaubt; der Tod war nicht mehr als endloses Nichts und Dunkelheit.
Doch wieder hörte ich in meinem Gehirn meines Vaters letzten Aufschrei… Kehre nach Darkover zurück und kämpfe für deine Rechte und die deines Bruders! Dies ist mein letzter Befehl … und danach, als das Leben ihm entfloh, ein Ruf voll Freude und Zärtlichkeit: Yllana! Geliebte …
Hatte er im letzten Augenblick etwas gesehen, das jenseits von diesem Leben lag, hatte meine nur undeutlich erinnerte Mutter an diesem letzten Tor auf ihn gewartet? Ich weiß, die Cristoferos glauben so etwas; Marjorie hatte es auch geglaubt. Würde Marjorie jenseits von Sharras Feuer auf mich warten? Das konnte ich nicht glauben, ich wagte nicht, es zu glauben. Und wenn es so war - ich musste lächeln, ein saures kleines Lächeln -, was würden wir tun, wenn Dio dort aufkreuzte? Aber sie hatte ihren Anspruch bereits aufgegeben … Wenn Liebe das Kriterium war, würde sie vielleicht am Tor des Todes nach Lerrys suchen. Und was war mit den Männern und Frauen, die ihre Ehegatten hassten, die aus Pflichtgefühl oder familiären Rücksichten oder politischer Notwendigkeit geheiratet hatten? Wenn ihr Eheleben die Hölle und der Tod eine gnädige Erlösung war, konnte ein vernünftiger oder gerechter Gott verlangen, dass sie auch in einem endlosen Leben nach dem Tod miteinander verbunden blieben? Ich verbannte diese Gedanken als Quatsch und versuchte, mich trotz des heftigen Schmerzes in meinem Kopf und dem Brennen und Pochen in meinem verwundeten Arm zur Ruhe zu zwingen, damit ich einschlafen konnte.
Das letzte rote Licht wurde trübe, verblasste und verlosch. Durch einen Spalt zwischen den Vorhängen fiel blasses, grünliches Mondlicht wie Eis über mein Bett. Es sah kühl aus, es würde mein Fieber lindern … ich hörte Schritte, ein Rascheln und ein leises Flüstern.
»Lew, schläfst du?«
»Wer ist da?«
Das ungewisse Licht ließ helles Haar aufleuchten, und Dio, das Gesicht so bleich wie der Mond, blickte auf mich nieder. Sie drehte sich um und zog die Vorhänge auf, die Andres geschlossen hatte. Mondlicht überflutete das Zimmer, und die abnehmenden Monde lugten ihr über die Schulter.
Die Kühle des Mondlichts legte sich über mein fieberndes Gesicht. Ohne Neugier fragte ich mich, ob ich eingeschlafen sei und träume, Dio sei da. Sie war so still, so gedämpft. Ihre Augen waren vom Weinen geschwollen.
»Lew, dein Gesicht ist so heiß …«, murmelte sie, und nach einer Minute kam sie und legte mir etwas Kaltes und Erfrischendes auf die Stirn. »Hat man dich in diesem Zustand einfach allein gelassen?«
»Mir fehlt nichts«, sagte ich. »Dio, was ist geschehen?«
»Lerrys ist fort«, hauchte sie. »Er ist zu den Terranern gegangen und mit einem Schiff abgereist … er hat geschworen, niemals zurückzukehren … hat versucht mich zu überreden … mich zu zwingen, mit ihm zu kommen, aber diesmal wollte ich nicht … Er sagt, es bedeute den Tod, hier zu bleiben, bei allem, was den Comyn bevorsteht …«
»Du hättest mit ihm gehen sollen«, meinte ich missmutig. Ich konnte Dio jetzt nicht schützen, mich nicht um sie kümmern, wenn Sharra los war und Kadarin wie ein wildes Tier umherstrich, Thyra an seiner Seite, entschlossen, mich in denselben Winkel der Hölle zurückzuzerren …
»Ich werde nicht gehen, wenn andere hier bleiben und kämpfen müssen«, erklärte sie. »Ein solcher Feigling bin ich nicht …« Aber sie weinte. »Wenn Lerrys überzeugt ist, wir seien Teil des Imperiums, hätte er hier bleiben und dafür kämpfen sollen …«
»Lerrys ist nie ein Kämpfer gewesen«, bemerkte ich. Nun, auch ich war keiner, aber mir blieb keine andere Wahl; mein Leben war bereits verwirkt. Für Dio hatte ich keinen Trost. Leise sagte ich: »Dein Kampf ist es ebenso wenig, Dio. Du bist nicht in diese Sache verwickelt. Du könntest dir anderswo ein neues Leben aufbauen. Noch ist es nicht zu spät.«
Lerrys war einer der hypersensitiven Ridenows. Die Ridenow-Gabe war in die Comyn hineingezüchtet worden, um die Schrecken zu erspüren, die im Zeitalter des Chaos aus anderen Dimensionen herüberwechselten. Es war eine heute nicht mehr benötigte Gabe, denn die Comyn schweiften nicht mehr durch Zeit und Raum, wie sie es der Legende zufolge in der Hochzeit der Türme
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