Shogun
Asche. Zufrieden schlug er die Asche zu Staub. Und wer soll jetzt neuer Oberkommandierender werden? fragte er sich.
Um die Mittagstunde durchquerte Mariko den Vorhof des Bergfrieds, ging mitten hindurch durch die schweigenden Reihen umdüsterter Samurai und betrat das Gebäude. Toranagas Sekretär wartete in einem der Vorräume des Erdgeschosses auf sie. »Tut mir so leid, daß ich nach Euch habe schicken müssen, Dame Toda«, sagte er müde.
»Es ist mir ein Vergnügen, Kawanabi-san.«
Kawanabi war ein älterer Samurai mit scharf geschnittenen Zügen und geschorenem Kopf. Früher war er einmal buddhistischer Priester gewesen, doch jetzt erledigte er seit Jahren Toranagas Korrespondenz. Normalerweise strahlte er und war voller Schwung, doch heute war er, wie die meisten in der Burg, sichtlich nervös. Er überreichte ihr eine kleine Schriftrolle. »Hier sind Eure Reisepässe für Osaka, rechtens unterschrieben. Ihr sollt morgen aufbrechen und Euch auf schnellstem Weg dorthin begeben.«
»Ich danke Euch.« Sie selbst hörte kaum, was sie sagte.
»Herr Toranaga sagt, er hätte ein paar persönliche Schreiben, die Ihr bitte für die Dame Kiritsubo und die Dame Koto mitnehmen wollt. Außerdem auch für General Ishido und die Dame Ochiba. Sie werden Euch bei Morgengrauen ausgehändigt werden.«
»Danke.«
Aus einer Reihe von Schriftrollen, die säuberlich auf seinem Tisch gestapelt waren, suchte Kawanabi ein offizielles Dokument heraus. »Ich bin ermächtigt, Euch dies zu übergeben. Es handelt sich um die Vergrößerung des Lehens Eures Sohnes, wie Herr Toranaga es versprochen hat. Zehntausend Koku jährlich.« Sie nahm das Dokument in Empfang, las es und prüfte die offiziellen Siegel. Freilich machte sie das nicht glücklich. Beide hielten sie die Urkunde jetzt für ein völlig nutzloses Dokument. »Vielen Dank. Bitte, dankt Herrn Toranaga für die Ehre, die er uns erweist. Ist es gestattet, daß ich ihn vor meiner Abreise noch einmal sehe?«
»Aber ja. Wenn Ihr von hier fortgeht, möchtet Ihr Euch auf das Barbarenschiff begeben. Dort möchtet Ihr bitte auf ihn warten.« Der Sekretär machte die Augen klein und überflog eine Liste in seiner Hand. »Hauptmann Yoshinaka hat Befehl, Eure Eskorte bis Osaka zu befehligen, wenn Ihr nichts dagegen habt.«
»Es wäre mir eine Ehre, mich wieder seiner Obhut anzuvertrauen. Vielen Dank. Darf ich fragen, wie es Herrn Toranaga geht?«
»Eigentlich ganz gut, aber daß ein so aktiver Mann wie er sich tagelang einschließt … Was soll ich dazu sagen?« Hilflos breitete er die Hände aus. »Tut mir leid. Immerhin hat er heute Herrn Hiro-matsu empfangen und sich einverstanden erklärt, daß die Abreise verschoben wird. Außerdem war er bereit, sich mit ein paar anderen Dingen zu befassen … die Reispreise müssen festgeschrieben werden, falls es eine schlechte Ernte gibt … Es ist soviel zu tun, und … es sieht ihm sonst so gar nicht ähnlich, Dame Toda. Schreckliche Zeiten sind das, neh? Und so voll von bösen Vorbedeutungen: Die Wahrsager meinen, daß es dieses Jahr eine besonders schlechte Ernte geben wird …«
»Das glaube ich einfach nicht … nicht vorm Herbst.«
»Das ist weise, sehr weise. Allerdings werden nicht viele von uns die Erntezeit erleben. Ich soll mit ihm nach Osaka gehen.« Kawanabi lehnte sich nervös vor. »Ich habe gerüchteweise gehört, daß zwischen Kyoto und Osaka wieder die Pest ausgebrochen sein soll … Ob das wohl ein weiteres Zeichen dafür ist, daß die Götter sich von uns abwenden?«
»Das kennt man ja gar nicht von Euch, daß Ihr an Gerüchte und Himmelszeichen glaubt, Kawanabi-san. Ihr wißt, wie Herr Toranaga darüber denkt?«
»Nun ja, kein Mensch scheint normal in diesen Tagen, neh?«
»Vielleicht stimmen die Gerüchte nicht … Ich bete darum, daß sie nicht der Wahrheit entsprechen.« Sie schüttelte ihre bösen Ahnungen ab.
»Ich bin so froh, daß Herr Hiro-matsu wieder da ist, und ich freue mich, daß er Herrn Toranaga hat überzeugen können … Ich wünschte, diese ganze Reise würde überhaupt abgeblasen!«
»Ja«, stimmte sie ihm zu, denn auch sie beschäftigte sich vornehmlich mit dieser Frage. »Wenn jetzt Herr Hiro-matsu wieder da ist, sieht unser Gebieter vielleicht ein, daß das Waffenstrecken doch nicht die beste Lösung ist.«
»Dame, dies ist nur für Eure Ohren bestimmt: Herr Hiro-matsu …« Er hielt inne, blickte auf und verzog sein Gesicht zu einem Lächeln. Yabu stapfte mit klirrenden
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