Shogun
vormachen? Es war kein Traum, dachte sie. Es ist geschehen. Der Mann war kein Kami. Du hast dich mit einem Bauern im Dreck gewälzt und dich von ihm besteigen lassen, damit er einen Sohn zeuge, den du genauso verzweifelt brauchtest wie der Taikō – um ihn an dich zu binden. Sonst hätte er sich noch eine neue Gattin genommen, neh?
Und wie war das mit dem Erstgeborenen?
»Karma«, sagte Ochiba und schüttelte diesen stets drohenden Schmerz gleichfalls ab.
»Trinkt dies, Kind«, hatte Yodoko zu ihr gesagt, als sie sechzehn gewesen war, ein Jahr, nachdem der Taikō sie in aller Form zur Gattin genommen. Und sie hatte den sonderbaren, wärmenden Kräuter- Cha getrunken, der sie so unendlich müde gemacht, und am nächsten Abend hatte sie sich nur an merkwürdige erotische Träume und sonderbare Farben und eine unheimliche Zeitlosigkeit erinnert. Yodoko war dagewesen, als sie erwacht. Neun Monate später hatte sie geboren … sie, die erste von allen Frauen des Taikō, die einem Kind das Leben geschenkt. Leider hatte dieses Kind gekränkelt und war bald darauf gestorben. Karma, dachte sie.
Nie war ein Wort darüber zwischen ihr und Yodoko gefallen. Darüber, was geschehen war oder hätte geschehen können während dieses langen, langen Schlafs. Nichts außer diesem »Verzeiht mir …« vor wenigen Augenblicken.
Ihr habt Euch nichts vorzuwerfen, Yodoko-sama, es ist nichts geschehen, keine Heimlichkeiten, nichts! Und wenn doch … ruht in Frieden. Alte, jetzt, wo Ihr Euer Geheimnis mit Euch ins Grab genommen. Ochibas Augen ruhten auf dem leeren Gesicht, das jetzt so durchscheinend und rührend war, genauso wie das des Taikō nach seinem Tod, auch er hatte seine Frage nie gestellt. Karma, daß er starb, dachte sie leidenschaftslos. Hätte er noch zehn Jahre länger gelebt, ich wäre Kaiserin von China geworden, aber jetzt … jetzt bin ich allein.
»Merkwürdig, daß Ihr gestorben seid, ehe ich es Euch versprechen konnte, Dame«, sagte sie. Weihrauchduft und der Moschusgeruch des Todes umgaben sie. »Ich hätte es Euch versprochen. Doch jetzt seid Ihr gestorben. Ist auch das mein Karma? Erfülle ich eine Bitte und ein ungesprochenes Versprechen? Was soll ich tun?«
Mein Sohn, mein Sohn, wie hilflos ich bin!
Dann erinnerte sie sich an etwas, was die weise Yodoko gesagt: »Denkt so, wie der Taikō denken würde … oder Toranaga!«
Ochiba spürte, wie ihr neue Kraft in die Adern strömte. Sie setzte sich im großen Schweigen zurück, und dann, kühl überlegend, begann sie zu gehorchen.
Chimmoko trat durch die Gartenpforte, ging zu Blackthorne und verneigte sich: »Bitte, verzeiht, Anjin-san, meine Herrin möchte Euch sprechen.«
Blackthorne, noch tief in seine Gedanken verloren und von bösen Ahnungen umfangen, erhob sich. Die Schatten waren längst lang geworden. Schon lag ein Teil des Vorhofes nicht mehr in der Sonne. Die Grauen bereiteten sich darauf vor, ihn zu begleiten.
Chimmoko ging zu Sumiyori hinüber. »Bitte, verzeiht, Hauptmann, aber meine Dame ersucht Euch, alles Entsprechende vorzubereiten.«
»Wo will sie, daß es stattfindet?«
Die Zofe wies auf den Platz vor dem Torbogen. »Dort, Euer Gnaden.«
Sumiyori erschrak. »Es soll in aller Öffentlichkeit geschehen?«
»Ja.«
»Aber … aber wenn es hier geschehen soll … Ihr … ihr … was ist mit ihrem Sekundanten?«
»Sie glaubt, Herr Kiyama wird ihr diese Ehre erweisen.« Chimmoko ging zur Veranda hinüber, um sich dort abermals zu verneigen: »Kiritsubo-san, meine Herrin sagt, es tue ihr leid, aber sie werde bald wieder erscheinen.«
»Fehlt ihr auch nichts?«
»O nein«, erklärte Chimmoko stolz.
Alle sahen sie Chimmoko zur Gartenpforte zurückgehen und Blackthorne winken. Die Grauen schickten sich an, ihm zu folgen, doch Chimmoko schüttelte den Kopf und sagte, sie habe ihre Herrin nicht gebeten. Der Hauptmann gestattete Blackthorne, allein zu gehen.
Auf der anderen Seite der Pforte war es wie in einer anderen Welt: Grün und heiter, die Sonne noch in den Baumkronen, voller Vogelgezwitscher und summender Insekten, der Bach, der sich bezaubernd in den Lilienteich ergoß. Trotzdem vermochte Blackthorne seine Bedrücktheit nicht abzuschütteln.
Chimmoko blieb stehen und zeigte auf das kleine Cha-no-yu- Haus . Er ging allein weiter. Er trat aus seinen Riemensandalen und stieg die Stufen hinauf. Um durch die niedrige Tür zu gelangen, mußte er sich fast bis zu den Knien bücken. Dann war er drinnen.
»Er!« sagte
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