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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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Kämmerchen zurück, und sie versuchte, nicht hinzuhören. Das war ein Fehler, denn sie bemerkte erst spät, dass er leise telefonierte und dass es dabei um sie ging. Sie verstand nur Bruchstücke, aber die reichten, um ihr Blut in Wallung zu versetzen, dass sie glaubte, es rauschen zu hören.
    »... entwischt mir nicht mehr – keine Sorge – du kriegst sie unversehrt ...«
    Hinaus!, war der erste Gedanke, doch dann fiel ihr die Zeitung auf dem Tisch ins Auge. Sie riss hastig ein paar Blätter ab, rollte sie zusammen und blockierte damit den Verschluss der WC-Tür. Als sie in den Korridor hinausschlüpfte, begann er zu rütteln und zu schimpfen.
    Sie gelangte unbehelligt in den vordersten Wagen, bis der Zug in Albuquerque anhielt. Nichts als ein Schatten, folgte sie einer kleinen Reisegruppe zum Ausgang. Vom Marshal war nichts zu sehen und zu riechen, doch sie atmete erst auf, als sie im Taxi zum Flughafen saß. Irgendwann mussten sogar die Feds aufgeben, hoffte sie auf dem Weg.
    Die Hoffnung täuschte. Sie hatte schon einen Fuß auf den Gehsteig gesetzt, als sie die Beamten sah. Vier Typen. Sie trugen keine blauen Westen, aber die einheitlichen dunklen Brillen und Haarschnitte waren so deutlich wie der weiße Schriftzug. Sie zuckte zurück, zog die Tür zu und sagte:
    »Ich hab's mir anders überlegt. Fahren Sie mich zurück in die Stadt, zum Truck Stop an der 40.«
    Der Seesack musste im Schließfach bleiben. Irgendwann würde ihn jemand finden und sich wundern. Der Verlust war zu verschmerzen. Alles Wichtige, was sie zum Leben brauchte, befand sich in der Computertasche. Kleider und Zahnbürsten gab es an jeder Ecke zu Discountpreisen. Für die Daten auf ›Titan‹ hingegen lohnte es sich, zu kämpfen.
    »Hier?«, fragte der Fahrer.
    Zwei Lkws standen neben der Kneipe, einer mit kalifornischem Kennzeichen.
    »Hier«, bestätigte sie und stieg aus.
    Ein älterer Mann, nicht viel größer als sie, bei dem man nicht sah, wo die Tätowierung endete und das Leibchen begann, überrannte sie beinahe am Eingang zum Restaurant.
    »Sorry«, knurrte er, während er wütend auf den Touchscreen seines Handys klopfte.
    Schließlich steckte er es mit einem Fluch in die Tasche.
    »Brauchen Sie einen Akku?«, fragte sie, als sie sah, wie er sich dem Truck aus Kalifornien näherte.
    Er fuhr herum, als hätte sie ihn beschimpft. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er sie, bis er entschied, dass sie ihm nicht nach dem Leben trachtete. Er schüttelte bedächtig den Kopf und sagte:
    »Lizzie ist endgültig hinüber.«
    »Das tut mir leid. Wer ist Lizzie?«
    »Meine Frau – und das Scheißding da. Ich habe ihr gesagt, ich will dieses smarte Spielzeug nicht. Gibt nur Ärger.«
    »Kann ich mal sehen?«
    Er stutzte. »Sind Sie von der verdammten Telefongesellschaft?«
    »Nein«, lachte sie, »aber ich kenne mich ein wenig aus mit den Scheißdingern.«
    Das Gerät war ein Smartphone der billigen Variante. Das Betriebssystem hatte sich aufgehängt und reagierte auf gar nichts mehr. Es war eine ihrer leichteren Übungen. Sie reichte es ihm, als das Startbild erschien.
    »Sie sollten eine neuere Version herunterladen«, bemerkte sie dazu.
    »Und Sie reden wie meine Tochter.«
    Eine Viertelstunde später saß sie auf dem Beifahrersitz im Lkw nach Flagstaff.
    »Wie alt ist Ihre Tochter?«
    »Zwölf.«
    »Das richtige Alter für Smartphones«, schmunzelte sie.
    »Ich weiß nicht. Das Girl verbringt mehr Zeit im Netz mit ihren elektrischen Freunden als mit der Familie.«
    »Das ist heutzutage normal. Sie können beruhigt sein.«
    »Bin ich aber nicht, junge Dame. Ich sollte mir einen andern Job suchen.«
    »Um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen?«
    »Das auch und wegen den verdammten Kontrollen.«
    Sie hatte nicht auf den Verkehr geachtet, doch jetzt duckte sie sich unwillkürlich, als sie den Grund für die stockende Fahrt sah. Das aufgeregte Blinken der Blaulichter verhieß Ärger. Sie zählte vier Patrouillenfahrzeuge der State Police. Beamte mit Maschinenpistolen standen in Bereitschaft. Das war keine gewöhnliche Verkehrskontrolle. Die Jagd nach dem Phantom Jennifer Walker ging weiter. Ihre Gedanken überschlugen sich, während sie verzweifelt nach einem Ausweg suchte. Zu spät, um auszusteigen, soviel war klar. Aufgeregt blickte sie sich nach allen Seiten um. Sie musste sich irgendwie unsichtbar machen.
    »Ist was?«
    »Kann man da hinten pennen?«
    Er nickte verwundert.
    »Dann hau ich mich mal aufs Ohr, wenn Sie nichts

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