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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sinne vor. Zunächst die Umgebung.«
    So waren sie Jugorow wie ein Schatten gefolgt, lautlos, unsichtbar für ihn – das hatten sie gelernt und immer wieder geübt. Als sie sahen, daß Walja und Jugorow dem Wald zustrebten, schlugen sie einen Bogen, liefen durch den Wald und erreichten den gefällten Baumstamm, auf den Walja sich setzte, unmittelbar nach ihrem vorwurfsvollen Satz: »Sie hat dich gestern abend wieder abgeholt …«
    »Ein vorehelicher Krach«, flüsterte Meteljew mit einem Grinsen zu Krasnikow hin. »Kehren wir um!«
    Daß Krasnikow abwinkte, war mehr Instinkt als Vernunft. Er sah Meteljew ein paarmal bedeutungsvoll an, als Jugorow zum Beispiel sagte, er habe gute, neue Freunde in Lebedewka besucht. Das konnte gar nichts heißen oder doch sehr vieles. Ein Traktorfahrer der Baubrigade hat eine Liebschaft mit einer Soja Gamsatowna? Man merke sich den Namen Soja. Nicht schaden kann es, sie einmal zu besuchen. Und ein Kind bekommt sie von einem gewissen Masuk, der verheiratet ist? Eine alltägliche Begebenheit … kann sein, daß sich Masuk und Jugorow eines Tages den Schädel einschlagen. Oder gibt es da heimliche Kontakte zwischen Nowo Gorodjina und Lebedewka? Man muß es untersuchen …
    Und nun war plötzlich Nasarow da, allein, ungeschützt – und keine Waffe hatten sie bei sich. Keine der schallgedämpften Pistolen, keinen lautlosen, mit Preßluft zu verschießenden Giftpfeil, keinen tödlichen Gasstrahl … Zum Verzweifeln war's.
    Meteljew legte die Stirn gegen die rauhe Rinde einer der Kiefern, hinter denen sie sich verbargen, und hätte weinen können. Krasnikow kaute an seiner Unterlippe und hatte harte, mitleidlose Augen. Er überlegte … so ein Glück kam nie wieder.
    Major Nasarow hob die Hand, als wolle er ein Stopzeichen geben. »Walja, gehen Sie aus dem Weg!« schrie er. »Sehen Sie, keine Waffen habe ich. Das Koppel mit der Pistole liegt im Wagen. Der Schweinehund und ich, wir haben nur unsere Fäuste. Tragen wir es sportlich aus … entledigen wir uns des Offiziers. Eine Entweihung der Uniform wäre es sonst.«
    Er knöpfte den Uniformrock auf, streifte ihn ab und warf ihn auf die Erde. Ein weißes Hemd trug er darunter, mit kurzen Ärmeln. Als er die Fäuste ballte, erkannte man seine starken Muskeln. Wie ein Boxer wirkte er jetzt.
    »Ein guter Vorschlag ist das!« sagte hinter Waljas Rücken Igor Michailowitsch. »So sind Sie mir lieber, Nasarow.« Er riß das zerfetzte Hemd aus der Hose und kam um Walja herum. Am Arm hielt sie ihn fest und versuchte, ihn wegzuzerren.
    »Laß dich nicht reizen, Igor!« rief sie. »Wie's auch ausgeht – du bist immer der Schuldige!«
    »Oh, seht, das Vögelchen hat Angst um ihren Vögler«, lachte Nasarow anzüglich und niederträchtig. »Hat der Liebling keine Kraft mehr? Na, wo ist sie denn geblieben? Du blondes Hähnchen, kannst nur noch krähen, was?«
    Er duckte sich, zog die Schultern hoch, streckte die Fäuste vor und wartete darauf, daß Jugorow auf ihn losging. Falls er ein Mann von Ehre war, konnte er solche Worte nicht einfach schlucken. Wer spuckt schon vor sich selbst aus?
    Jugorow schüttelte Waljas Griff ab und dehnte seinen Körper, der ebenfalls muskulös war, aber schöner und ästhetischer. Hinter den Kieferbäumen verfluchte Meteljew seine Ohnmacht und blickte verzweifelt zu Krasnikow. Dann riß er den Mund auf zu einem stummen Triumphgeschrei.
    Krasnikow hatte nämlich plötzlich ein Messer in der Hand, eines der im Griff versenkbaren Messer mit beidseitig geschliffener Klinge – ein Messer für den unmittelbaren Nahkampf, das man dem Überrumpelten lautlos ins Herz stoßen konnte. Ein schneller stummer Tod, wie man ihn an den ›Kukli‹ geübt hatte.
    Krasnikows Miene war wie eine Maske. Die Messerspitze hielt er zwischen Daumen und Zeigefinger, ließ sie auf und ab wippen, prüfte das Gewicht des Holzgriffes, und als Nasarow sich jetzt duckte und Jugorow auf ihn zukam, schleuderte Krasnikow aus dem Handgelenk das Messer weg.
    Meteljew sah dem Messer nach … es drehte sich in der Luft, der Griff kippte im Flug nach unten, die Klinge kam nach vorn … und so traf sie ihr Ziel, bohrte sich in den Rücken von Nasarow, auf der linken Seite, dort wo das Herz lag.
    Mit einem dumpfen Ächzen zuckte Nasarow zusammen. Seine Augen quollen hervor, starrten Jugorow mit einem fürchterlichen Blick an, die Fäuste sanken herab, er taumelte noch einen Schritt nach vorn und fiel dann in sich zusammen, als seien seine Knochen flüssig

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