Sibirisches Roulette
Alles will ich wissen, alles. Jeden außergewöhnlichen Furz.«
»Wie Sie befehlen, Genosse General.« Krasnikow sah zu Meteljew hinüber, der über einen zweiten Kopfhörer das Gespräch mit anhörte. Beide wölbten die Unterlippe nach vorn. Soll er haben! Wundern wird er sich, wenn wir melden: »Es ist jetzt dreiundzwanzig Uhr und neunzehn Minuten, Genosse General. Nebenan bei Jugorow knarrt das Bett, und Walja Borisowna stößt kleine, helle Schreie aus …« An die Wand wird er das Telefon werfen.
»Ist noch eine Frage erlaubt, Genosse General?« sagte Krasnikow.
»Erlaubt!«
»Wenn Nasarow weiterhin Schwierigkeiten macht – in zwei, drei Wochen wird er wieder herummarschieren –, sollen wir unsere Identität preisgeben?«
»Auf keinen Fall, Krasnikow! Sie und Meteljew bleiben Geologen.«
»Wir danken Ihnen, Genosse General.« Krasnikow beendete das Gespräch und lehnte sich bequem in seinem Sessel zurück. »Freie Fahrt, Babrak Awdejewitsch. Mein Versagen werde ich korrigieren …«
Es hatte wenig Sinn, daß Nasarow den Messerwurf überlebte.
Am siebten Tag machte er die ersten Gehversuche und fühlte sich so stark, daß er nach einem Brathuhn verlangte.
Aus Tobolsk kam eine große Lastwagenkolonne nach Nowo Gorodjina: neue Maschinen für die Werkstätten, zusammengelegte winterfeste Fertighäuser, zwei Transformatoren mit Zubehör für zusätzliche Stromerzeugung, Edelstahlkessel und Küchengerät zum weiteren Ausbau der Küche, zwei große Waschmaschinen und Wäschetrockner, kleine und große Öfen, ein großer Kessel für die Holztrockneranlage, neun Traktoren und drei Bagger auf Tiefladern, vier Jeeps und drei Planierraupen – vor allem aber zehn Lastwagen voller Dinge, die das Herz lachen lassen: Wein, Wodka, Marmeladen, Süßigkeiten, Schokolade, Kekse, Zigaretten, Tabak, Zigarren, Speiseöl, riesige Käselaibe, Dauerwurst, Fässer mit Sauerkohl und mit anderem eingesäuertem Gemüse, zentnerschwere Gurkeneimer, faustgroße Zwiebeln, vier Wagen voll Kartoffeln, Möhren, Rüben und Mais, dazu Mehlsäcke, Zuckersäcke, Grießkartons und Grütze. Eine wahre Pracht war's. Noch mehr beklatscht wurde die Einfahrt von zehn mächtigen Kühlwagen, die nicht nur ganze gefrorene Rinder- und Schweineseiten ausluden, Speck und tiefgekühlte Hühner, Hähnchen, Gänse und Enten, Tonnen mit Butter und Margarine, Schmalz und Kochfett, sondern auch Köstlichkeiten wie Eimer voll Frischei, Lachsdosen, Bratfisch, Ölsardinen, Stapel von Quark und Frischkäse zu Blöcken gefroren, frische Milch, zu Stangen vereist, und neun verschiedene Sorten Speiseeis.
Welch ein Anblick, Genossen! Ist schon was wert, hier am Kanal zu bauen. Bevorzugte Verpflegungsempfänger, heißt das bei den zuständigen Bürokraten. Wo im weiten Umkreis bekommt man das, was hier zu sehen ist?
Schemjakin, der mit den beiden Lagerverwaltern die Transportlisten abzeichnete, schien selbst verblüfft. Zu Niktin sagte er:
»Ganz klar, der Winter kommt, das Nötigste muß eingelagert werden. Liegt erst der Schnee und gibt es Frost, dann kommt aus Tobolsk kaum ein Wagen bis zu uns durch. Aber so viel? Im letzten Jahr war's nur die Hälfte. Sieht ganz danach aus, als habe man in Moskau beschlossen, die Baubrigade zu verstärken. Wozu sonst die neuen Häuser? Nicht die geringste Ahnung habe ich. So ist es aber immer! Plötzlich sind hundert neue Menschen da, und drei Tage später kommt ein Wisch ins Haus: Wir werden Ihnen in Kürze einhundert neue Arbeiter schicken. In Kürze … und sind schon da! Da weiß die eine Stelle nicht, was die andere tut. Werkeln einfach aneinander vorbei!«
Ein Wagen wurde gesondert ausgeladen, und sein Inhalt verschwand in einer besonderen Kammer des großen Magazins: Büchsen voll Kaviar, Kognak aus Grusinien, eingelegte Pilze, kandierte Früchte, bester Wodka, Rotwein von der Krim, Sekt von den besten Trauben am Schwarzen Meer, Pralinen sogar und Marzipan, Rosinen und Trockenhefe, konservierte saure Sahne und Nüsse aller Art, süße Mandeln und Blöcke bitterer Schokolade, Rum und Arrak … Öffnete sich das Paradies?
Niktin jedenfalls mußte mehrmals heftig schlucken angesichts solcher Köstlichkeiten und stellte sachkundig fest: »Für die Bauleitung ist's, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Schemjakin kurz. Ihm war es unangenehm, Niktin jetzt bei sich zu haben. Noch schlimmer allerdings war dessen Ankündigung gewesen, er wolle vorerst in Nowo Gorodjina bleiben und sogar seine Frau Maja Petrowna nachholen. Er
Weitere Kostenlose Bücher