Sieben
ab gehenden Wachen. »Kann schon sein.«
Doyle faltete die geschriebene Notiz um den halben Geldschein und reichte ihn Barry. »Die Hälfte sofort, die andere, sobald die Botschaft angekommen ist.«
»Versuchen wirʹs mal«, sagte Barry. Er warf einen Blick auf den Zettel und trat an die Gitterstäbe heran. Dabei sah er natürlich auch, daß die Nachricht an Inspektor Claude Leboux gerichtet war.
Zwei Stunden später wurde Doyle schließlich ohne Erklärung in einen kleinen Raum des Pentonville-Gefängnisses geführt, in dem man für gewöhnlich Sträflinge verhörte. Minuten darauf tauchte Leboux auf; er war allein, sein Schnauzbart war vor Verärgerung gesträubt. Er machte die Tür hinter sich zu und schaute Doyle an.
»Hallo, Claude.«
»Man hat dich beim Würfeln erwischt, Arthur? Ich habe gar nicht gewußt, daß so etwas auch zu deinen Lastern gehört.«
»Ich war nicht zum Spielen da, Claude. Ich war ganz einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort.«
Leboux nahm Doyle gegenüber Platz, verschränkte die Arme vor der Brust, streckte die Beine aus, spielte mit einem Ende seines gewichsten Schnauzbarts und wartete darauf, daß ihm die nächste Frage einfiel, die er Doyle stellen konnte. Doyle, der bemüht war, Sparks' wiederholt geäußerten Rat zu befolgen, der Polizei kein Vertrauen zu schenken, wägte ab, wieviel er enthüllen konnte, um seine Freilassung durchzuboxen, ohne daß Leboux' Vorgesetzte seinem Fall allzuviel Aufmerksamkeit schenkten.
»Du siehst wie ein Diener aus«, sagte Leboux schließlich.
»Es hat wiederholt Versuche gegeben, mich umzubringen - und zwar von Seiten der gleichen Täter wie neulich. Deswegen habe ich mein Aussehen verändert.«
»Warum bist du nicht zu mir gekommen?«
»Seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben, war ich nicht mehr in der Stadt«, sagte Doyle, dankbar, sich zumindest ein wenig der Wahrheit annähern zu können. »Es schien mir das sicherste zu sein, London zu verlassen.«
»Und, war es das?«
»Nein, eigentlich nicht. Die Meuchelmörder haben mich gnadenlos verfolgt.«
»Wann bist du zurückgekehrt, Arthur?«
»Gestern abend.«
»Warst du in deiner Wohnung?«
Die Petrovitch, dachte Doyle. Er weiß, was mit ihr passiert ist. »Nein, Claude, war ich nicht. Ich habe sie für nicht sicher genug gehalten.« Doyle wartete ab und setzte den milden Gesichtsausdruck auf, dessen er sich in Gegenwart von Patienten befleißigte, für die es keine Hoffnung mehr auf Genesung gabffdie aber nicht kräftig genug waren, die Neuigkeiten zu hören. »Das Haus ist abgebrannt«, sagte Leboux schließlich. »Meine Wohnung?«
»Ich fürchte, von ihr ist nichts mehr übrig.«
Doyle schüttelte den Kopf. Schon wieder ein Feuer. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wer dafür verantwortlich ist, dachte er. Meine Wohnung ist nicht mehr. Es war weniger der Gedanke an seine verlorene Habe, der ihn besorgt machte er hatte sie längst abgeschrieben. Jetzt waren nicht nur sämtliche Beweise für den Mord an der Petrovitch für immer verschwunden, sondern auch für den Haß, der in seinen Räumen gewütet hatte. Er spürte, daß er innerlich anfing zu kochen.
»Claude, ich möchte dich etwas fragen«, sagte Doyle. »In deiner Eigenschaft als Inspektor.«
»In Ordnung.«
»Ist dir der Name ... Alexander Sparks vertraut?«
Leboux schaute an die Decke und kniff die Augen zusammen. Nach einer Weile schüttelte er leicht den Kopf und zückte ein Notizbuch und einen Bleistift. »Sag mir den Namen noch einmal.« Doyle buchstabierte ihn.
»Das ist der Mann, der hinter mir her ist. Der Mann, nach dem ihr sucht. Der Mann, der für diese und für viele andere Verbrechen verantwortlich ist.«
»Und was bringt dich zu dem Glauben, daß er es ist?«
»Ich habe ihn bei drei verschiedenen Gelegenheiten ertappt, als er mich verfolgte.«
»Wie sieht er aus?«
»Ich habe sein Gesicht nie gesehen. Aber er trägt immer Schwarz. Und einen Umhang, einen schwarzen Umhang.«
»Einen schwarzen Umhang ... An welchen Orten verkehrt er?«
»Das weiß wohl niemand.«
»Mit wem ist er bekannt?«
Doyle zuckte die Achseln.
»Was hat er sonst kürzlich angestellt?«
»Tut mir leid.«
Lebouxʹ Wangen röteten sich. »Kennst du zufällig seine Hutgröße?«
Doyle beugte sich vor und sagte leise: »Du mußt meine Ungenauigkeit verzeihen, Claude. Er ist eine schwer faßbare Gestalt, aber die Chance ist mehr als groß, daß dieser Mann kein Geringerer ist als der verbrecherische Lenker der
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