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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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Schlaf zu holen. Entsetzen und das plötzliche Losgelöstsein von allem, was uns vertraut ist, reichen allerdings auch aus, dachte Doyle, das kann ich nur bestätigen. Mir hat man die Scheuklappen zweifellos von den Augen gerissen.
    Aber war ein solcher Verlust eigentlich so katastrophal? Doyle drehte und wendete die Frage gründlicher als eine sich über dem Feuer drehende Jagdbeute. Selbst wenn er ,nun hungrig war, so wußte er doch: der Hungertod war kein Schicksal, das ihm bevorstand. Irgendwo, irgendwann würde er unterwegs eine Mahlzeit zu sich nehmen können, und der Hunger würde sie ihm noch herrlicher schmecken lassen. Er hatte sein Zuhause und seine Habe verloren, aber ein Zuhause konnte man sich neu erschaffen, und die Dinge, derer er verlustig gegangen warffkonnte man neu besorgen. Er hatte Grips; er war kräftig; er war relativ jung, hatte ordentliche Stiefel und Kleider am Leib und verfügte über den Mut seiner Überzeugungen. Er lebte im Mißgeschick und hatte einen imponierenden Gegenspieler, an dem er seinen persönlichen Wert messen mußte - und in Jack Sparks einen Kampfgefährten, neben dem er bestehen und mit dem er sich der Vielzahl der Probleme gemeinsam stellen konnte. Was brauchte er mehr?
    Könnte man sich einer Sache doch nur so bewußt bleiben, wie sie mir jetzt bewußt ist, dachte Doyle. War er am Ende gar auf den geheimen Seelenfrieden gestoßen? Dann war es also so: Das Sein darf unser Bewußtsein nicht bestimmen, sonst reagieren wir lediglich auf die Umstände. Reaktionen müssen von uns beherrscht werden. Das Bewußtsein, es fing alles mit dem Bewußtsein an! Wie simpel das Ganze doch war! Der Gedanke kräftigte ihn mit einem Gefühl von Freiheit, das so ausgedehnt war wie kein anderes, das er kannte. Als sein Geist zu einem Höhenflug ansetzte, beschleunigte sich auch sein Schritt. Die offen vor ihm liegende Straße war eine Einladung für Entdekkungen, kein Weg in die Katastrophe. Er wollte sein Schicksal willkommen heißen, sich voranarbeiten und den vor ihm liegenden Gefahren mit Gleichmut und Seelenstärke trotzen. Der Teufel sollte die Dunkle Bruderschaft holen! Sollte der degenerierte Alexander Sparks doch seine übelsten Geschütze auffahren! Er würde sie alle der gleichen Verdammnis anheimfallen lassen, die er und seine Spießgesellen der Welt zugedacht hatten!
    Eine schnelle Kutsche fuhr durch eine Wasserlache, und ein heftiger Schauer durchnäßte Doyle bis auf die Haut. Der Dreck troff in Klümpchen von seiner Stirn. Das Wasser lief an seinem Rücken hinab und in seine Stiefel. Eine plötzliche Windbö ließ ihn bis auf die Knochen erschauern. Es begann zu regnen. Es goß wie aus Kübeln, und der Regen stach ihn wie ein Schwärm vereister Bienen. Er nieste. Seine frisch gefundene Entschlußkraft floh vor ihm wie ein Starenschwarm.
    »Ich bin in der Hölle!« schrie er verzweifelt.
    Neben ihm hielt eine Kutsche. Larry saß auf dem Bock. Sparks stieß die Tür auf.
    »Steigen Sie ein, Doyle«, sagte er, »sonst holen Sie sich da draußen noch den Tod.«
    Gerettet!
    Larry schüttete einen Kessel heißes Wasser in die Schüssel, in der Doyle seine Füße badete. Er saß, in eine Decke gewickelt, auf einem Stuhl und schüttelte sich heftig. Auf seiner Stirn klebte ein Pflaster. Larry stellte den Kessel auf das dürftige Kohlenfeuer zurück, auf das Drahtgitter, an dem Doyles Kleider zum Trocknen hingen. Sie befanden sich in einem schmutzigen Hotelzimmer in Holborn, dessen dürftiges Drum und Dran das Hotel Melwyn in der Erinnerung mit dem Savoy auf eine Stufe stellte.
    »Es war nicht gerade eine erstklassige Idee, Doyle, Inspektor Leboux
schon wieder
zu rufen«, sagte Sparks, der sich auf dem einzigen Sofa des Zimmers ausstreckte und mit einem Garnfaden Fingertwist spielte.
    »Ich war im Gefängnis«, sagte Doyle gereizt und kämpfte miesgelaunt seinen Schüttelfrost nieder, »und im Besitz dessen, was ich für eine Information hielt, die für unsere Sache von grundlegendem Wert war. Wir waren für heute mittag verabredet. Ich hielt es für meine dringendste Pflicht, so schnell wie möglich wieder freizukommen.«
    »Wir hätten Sie schon rechtzeitig herausgeholt.«
    »Mich herausgeholt? Wie denn? Hat-schiii!«
    »Gesundheit«, sagte Sparks. »Nun weiß man, daß wir uns wieder in London aufhalten.« Er hantierte mit dem Garn herum und ignorierte Doyles Frage. »Das ist ein beträchtlicher Nachteil. Jetzt sind wir gezwungen, viel schneller zu handeln, als ich eigentlich

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