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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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nicht mehr verunsichern ließ als von einem Schüttelknie, waren Medien meist undefinierbare, substanzlose Seelen, die unsicher auf beiden Seiten der Großen Wasserscheide standen. Aufgrund ihres Talents schien ihnen eine wertvollere Fähigkeit zu fehlen: sich in der Welt der Lebenden zu Hause zu fühlen. Die meisten Medien lebten in relativer Armut und waren nicht einmal ansatzweise fähig, sich im Räderwerk der Gesellschaft zurechtzufinden. Obwohl ihre verwirrende Empfänglichkeit für die jenseitigen Bereiche sie manchen Menschen bisweilen sogar unheimlich erscheinen ließ, brauchte man die echten Praktiker nicht mehr zu fürchten als die der Gnade eines launischen Windes ausgesetzten Flügel einer Windmühle, die sie weder begriffen noch beherrschten. Das, was Doyle mit Vertretern dieser Art erlebt hatte, ließ sie ausnahmslos bemitleidenswert und traurig erscheinen.
    Das heißt bis zum Tag seiner Begegnung mit der Anstandsdame in der Cheshire Street. Ihrer Beschwörung des
basso profundo-Geistes
hatte etwas Übelkeiterzeugendes und Mitschuldiges angehaftet. Auch wenn viel von dem, was danach passiert war, aus ausgeklügelten Varianten erprobter und glaubhaft wirkender Theatermechanik bestanden hatte - die eiskalte Präsenz des Bösen in dem Raum, als der Lenker sich selbst enthüllt hatte, war unbestreitbar gewesen. Sie hatte dem unheilvollen Geist nicht nur erlaubt, sich ihrer zu bedienen; man hatte das Ding eingeladen. Die Frau verfügte allem Anschein nach über eine gewisse
force majeure extraordinaire,
der Antithese des Göttlichen. Die ersten Medien, die Doyle und Larry aufsuchten und befragten, fehlten nicht darin, sie zu enttäuschen. Nein, sie kannten diese Frau nicht. Sie hatten das Gesicht noch nie gesehen. Sie hatten auch noch nie von der neuen Konkurrentin gehört - trotz des ätherischen Drum und Dran war die Branche, in der man aktiv war, eine von großem Wettbewerb -, die ihr Talent auf dem örtlichen Markt anbot. Man wollte aber ein Auge auf sie haben und tun, was man tun konnte.
    Bei näherer Befragung wußte freilich jede der Angesprochenen von in letzter Zeit zunehmend häufiger auftretenden unheimlichen Alpträumen und Wachvisionen zu berichten: undeutlichen, nur kurz währenden Ausblicken, die blendendes Entsetzen hervorriefen und dann verschwanden, bevor das Erinnerungsvermögen einen dauerhaften Eindruck von ihnen gewann. Jedes der fünf Medien, die sie bis jetzt aufgesucht hatten, beschrieb bemerkenswert ähnliche Erfahrungen. Darüber hinaus waren die Befragten nur höchst widerwillig dazu bereit, sie zu diskutieren, was in Doyle den Argwohn erweckte, daß sie sich an mehr erinnerten, als sie zugeben wollten.
    Die Wohnung von Mr. Spivey Quince war der sechste Haltepunkt des Abends. Doyle war sich nie ganz schlüssig gewesen, ob Spivey mehr Betrüger oder Hellseher war. Als zurückgezogen lebender Meisterhypochonder - Doyle hatte beruflich seine Bekanntschaft gemacht - war er jedoch im großen und ganzen mit der Welt vertraut, da er sich täglich durch ein Dutzend Zeitungen fraß. Im Gegensatz zu den meisten seiner Zunft, die das Nachdenken einem Ehepartner oder Angestellten überließen, damit sich um die kleinen Dinge des täglichen Lebens gekümmert wurde, verfügte Spivey über ein erhöhtes Selbstbewußtsein. Er residierte in einem prächtigen Haus in Mayfair, wo ihn ein ständiger Strom von Laufburschen mit den besten Speisen, der besten Kleidung und den besten Waren versorgte. Spivey hatte Konten bei allen eleganten Schneidern der Stadt und kannte die Speisenkarten der besten Restaurants in- und auswendig, ohne auch nur einen Fuß über ihre Türschwellen gesetzt zu haben. Und obwohl er sein Haus nie verließ, war es ihm dennoch gelungen, über jeden Aspekt der gesellschaftlichen Szene Londons auf dem laufenden zu bleiben.
    Da Spivey seine Dienste nie annoncierte und allem Anschein nach über keine regelmäßige sich um ihn reißende Klientel verfügte, war seine Methode, seinen anspruchsvollen Lebensstil aufrechtzuerhalten, seit vielen Jahren ein Geheimnis, über das man sich das Maul zerriß. Doyle hatte eines Tages einen von Spiveys Burschen beim Verlassen eines wohlbekannten Buchmacherbüros erblickt einen Tag nach dem Epsom-Derby, mit einem Rucksack voller Bargeld. Bei seinem nächsten Besuch in Spiveys Haus als er sich um die neueste seiner imaginären Krankheiten hatte kümmern müssen war Doyle aufgefallen, daß zwischen den vom Boden bis zur Decke reichenden

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