Sieben
Zeitungsstapeln, die sein Patient ordentlich gefaltet in seinem Wohnzimmer aufbewahrte, zwei Stapel alter Ausgaben der Rennzeitung
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standen. Somit war ihm Spiveys Einkommensquelle klargeworden. Ob eine gewöhnliche Nase für das Plazieren von Wetten verantwortlich war oder die Pferde selbst die Objekte darstellten, an denen sein geistiges Talent auszuüben er beschlossen hatte, war die Frage, über der Doyle in bezug auf Spiveys angeborenen Charakter fortwährend brütete.
Doyle bat Larry, bei der Kutsche zu bleiben, denn er wußte, sein überraschendes Auftauchen würde Spivey dermaßen aus der Bahn werfen, daß er es wahrscheinlich nicht zuließ, daß ein Fremder ohne amtlich beglaubigtes und versiegeltes Gesundheitsattest sein Haus betrat. Quince kam selbst an die Tür er beschäftigte kein Hauspersonal; der Geiz war ein weiteres Fundament seines Reichtums -, in dem üblichen, mit roten Monogrammen versehenen Seidenpyjama, einer dazu passenden Robe und bernsteinbetroddelten Bordellschleichern. Obwohl seine Schränke vor modisch-schicker Kleidung schier platzten, hatte Doyle ihn noch nie in einem anderen Aufzug erblickt.
»Nanu, was ist denn das?« sagte der schmächtige Quince, als er die Tür einen Spaltweit öffnete. »Dr. Doyle! Himmel, ich habe ganz vergessen, daß ich nach Ihnen geschickt habe!«
»Haben Sie nicht, Spivey«, sagte Doyle.
»Gott sei Dank. Ich dachte nämlich schon, ich litte an den Auswirkungen des schrecklichen Fiebers des Vergessens, an irgend etwas Tropischem, Amazonischem, das man nur mit Unmengen von Chinin heilen kann. Ist irgend etwas nicht in Ordnung? Bin ich krank?«
»Nein, Spivey, Sie wirken völlig in Ordnung ...«
Aus den Tiefen von Quinces Brustkorb dröhnte ein Widerspruch von tuberkulösen Ausmaßen. »Da, sehen Sie?«, sagte er, nachdem er sich erholt hatte. »Ich hab's schon den ganzen Tag gespürt. Sie sind keinen Moment zu früh gekommen.« Er warf einen vorsichtigen Blick auf den Nebel, der sich vor den Fenstern ausbreitete. »Es liegt am Wetterumschwung. Ich bin einfach nicht beieinander. Speziell ein Londoner Nebel wie dieser - so rasch nach einem ungewöhnlichen Hoch - könnte mich umbringen. Kommen Sie herein, kommen Sie herein. Ich hoffe, Sie haben Ihre ganze Apotheke mitgebracht. Gott allein weiß, was für eine Diagnose Sie stellen müssen ...«
Doyle trat ein, und da er wußte, daß Spivey nicht gern fremde Dinge berührte, befreite er sich selbst von Hut und Mantel und hängte beides an den Kleiderständer.
»Ich habe meine Tasche im Moment nicht dabei, Spivey«, erklärte Doyle. »Dies ist mehr eine gesellschaftliche als eine medizinische Visite.« Er bemühte sich, die Symptome seiner eigenen nagenden Erkältung im Zaum zu halten. Die geringste Möglichkeit einer Ansteckung würde Spivey sofort eine Flucht in die Quarantäne antreten lassen.
»Ich habe nämlich in den letzten Nächten nicht gut geschlafen«, sagte Quince, der Doyles Erklärung ignorierte, und schritt mit ihm durch den Korridor. »Und wenn ich meine Ruhe nicht bekomme, fühle ich mich immer so anfällig.«
»Hatten Sie irgendwelche bösen Träume?«
»Schreckliche! Schauderhaft. Ich kann mich aber, glaube ich, nicht so recht an sie erinnern. Wenn ich mittendrin bin, reißt mich immer irgend etwas aus dem Schlaf. Zweifellos trägt meine allgemeine Mattigkeit dazu bei, das ich mich so krank fühle.«
Quince geleitete Doyle in das Wohnzimmer beziehungsweise den Zeitungsfriedhof. Obwohl der Raum groß und geräumig war, waren die Möbel abgewetzt, fadenscheinig und altmodisch und taten ihre biedere Pflicht für jeden Arm und Rücken. Abgesehen von den sich auftürmenden, die Wände verdeckenden Zeitungsmonolithen war der Raum peinlich sauber. Ordentliche Reihen verschriebener Medikamente standen auf der Tischplatte, an der Quince Platz nahm. Er ließ ein erneutes krampfhaftes Husten ertönen und glättete das rebellische Strohdach seines ingwerfarbenen Haars, das sich in alle Richtungen aufzustellen drohte. Er hatte eine gesunde Gesichtsfarbe, seine Haltung war kräftig und korrekt. Spivey Quince wirkte auf jede ersichtliche Weise wie das Abbild eines sehr robusten und gesunden Menschen.
»Haben Sie noch nicht einmal Ihr Stethoskop mitgebracht?« fragte er ängstlich. »Jedesmal, wenn ich husten muß, spüre ich, daß etwas in meinem Brustkasten klappert. Vielleicht habe ich mir eine Rippe verstaucht, oder - Gott verhüte - es bildet sich irgendwo ein Blutklumpen. Man kann mit
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