Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
diesen Dingen gar nicht vorsichtig genug sein. Nicht im Januar.«
    »Ich würde mir darüber keine Sorgen machen ...«
    Quince schnaubte irgend etwas Unappetitliches in sein Taschentuch, das er dann eingehend untersuchte - wie ein Geistlicher eine alte Schriftrolle. »Und was halten Sie davon?« fragte er Doyle und hielt ihm das Taschentuch hin.
    »Essen Sie mehr Orangen«, sagte Doyle nach einem kurzen Moment vorgetäuschten Scharfsinns. Aus Angst, jedes weitere Zögern könne ihn in ein prognostisches Fegefeuer stürzen, zog er das Porträt des Mediums aus der Jacke. »Was halten Sie davon?«
    Quince mochte das Bild natürlich nicht anfassen - er berührte nur selten etwas, wenn es vermeidbar war, jedenfalls nicht ohne Handschuhe, und in diesem Moment hatte er keine an. Doch er studierte es sorgfältig. Doyle beschloß, ihm nicht zu sagen, wer diese Frau war und weswegen er sie suchte. Wenn Spivey wirklich über das Zweite Gesicht verfügte, sollte er sein Talent einsetzen, um es zu erfahren.
    »Sie möchten, daß ich es für Sie deute«, sagte Spivey. »Ja, wenn es Ihnen möglich ist.«
    Spivey betrachtete das Bild noch eingehender. Sein Blick wurde schläfrig. »Nicht richtig«, sagte er nach einer Weile, es war fast ein Flüstern. »Nicht richtig.«
    »Was ist nicht richtig, Spivey?«
    Ein Beben nervöser Energie hatte sich über Spiveys Gesichtsausdruck gelegt. Seine Haut war angespannt, er zitterte vor pulsierender Energie. Dann riß er die Augen so weit auf wie eine Eule, sie zuckten hin und her, als sei sein Blick nach innen gerichtet. Doyle erkannte die Anzeichen der beginnenden Wachtrance. Spivey blickte nun wirklich in sich hinein.
    Er ist so schnell im Trance, als würde er in einen Pyjama schlüpfen, dachte Doyle. Vielleicht war Spivey doch ernst zu nehmen.
    »Können Sie mich noch hören?« fragte er nach einer angemessenen Zeitspanne.
    Spivey nickte langsam.
    »Was sehen Sie, Spivey?«
    »Tageslicht... eine Lichtung ... Da ist ein Junge.«
    Er ist besser, als ich dachte, dachte Doyle. »Können Sie ihn beschreiben?«
    Spiveys Augen blinzelten blind. »Keine Haare.«
    Keine Haare? Klingt irgendwie falsch. »Sind Sie sicher, daß er nicht blond ist?«
    »Keine Haare. Helle Kleidung. Blau. Pferde sind in der Nähe.« Die Rennbahn. Offenbar verspürte Spivey keine Neigung, etwas anderes als Rennpferde zu beobachten, wenn er sich in Trance verlor. Vielleicht war der »Junge« ein Jockey in einem bunten Seidenanzug. »Ist er ... auf der Rennbahn?«
    »Nein. Kurvenreiche Straße, draußen. Männer in Rot.« Doyle dachte kurz nach. »Buckingham Palace?«
    »Hohes Gebäude. Gras. Eisentor.«
    Er beschreibt die Royal Mews, dachte Doyle. »Was macht der Junge dort, Spivey?«
    Keine Antwort.
    »Was ist das Besondere an diesem Jungen?«
    »Der Anblick. Er
sieht.«
    Schön. Dafür und für drei Pence kann ich mir einen Biskuit kaufen. »Was Sie über den Jungen sagen, ist sehr hilfreich, Spivey. Können Sie zufällig auch etwas über die Frau auf dem Bild herauskriegen?«
    Spivey runzelte die Stirn. »Einen Biskuit?«
    »Einen Biskuit?« Doyle zuckte zusammen. Er hat meine Gedanken gelesen!
    »Biskuitdose.«
    Irgend etwas mit einer Biskuitdose macht ihm zu schaffen. Ja, jetzt fiel es ihm wieder ein: die Seance, in der Ecke der Projektion des Jungen - ein Zylinder mit den Buchstaben KUI. Natürlich, das war es, eine Biskuitdose. Doch wo sieht er sie, fragte sich Doyle, einfach aus dem Blauen heraus oder aus meiner unvollkommenen Erinnerung?
    »Sie wissen wohl nicht zufällig, um welche Sorte es sich handelt, oder, Spivey?«
    »Mutters Hausgemachtem«
    Diese Hilfe war unbezahlbar. »Mutters hausgemachte Biskuits«. Er konnte es kaum erwarten, Sparks zu erzählen, wie er das Problem im Alleingang geknackt hatte - wie eine Erdnuß mit weicher Schale.
    »Ist da noch etwas anderes außer der Biskuitdose, Spivey?« Spivey schüttelte den Kopf. »Kann nichts sehen. Mir ist etwas im Weg.«
    »Was steht denn da im Weg?«
    Quince hatte Schwierigkeiten beim »Sehen«. »Schatten. Großer Schatten.«
    Eigenartig. Er war nicht der erste, der diesen Ausdruck verwendete. Spivey streckte plötzlich die Hand aus und nahm Doyle die Zeichnung aus der Hand. Als er sie hielt, zuckte sein Körper hin und her, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Doyle erwartete jeden Moment, daß Rauch aus Spiveys Augen aufstieg. Er war nicht geneigt, den Mann anzufassen, aus Angst, seine gefährliche Energie könne auf ihn

Weitere Kostenlose Bücher