Sieben
der ganzen Welt gesammelt. Würde die Menschheit nur halb soviel Verstand aufwenden wie bei der Herstellung von Waffen, könnte sie möglicherweise Ziele erreichen, von denen sie nicht mal zu träumen wagt.«
»Vielleicht gibtʹs noch Hoffnung für die Scheißkerle«, sagte Larry, der auf der Ecke des Experimentiertisches saß und sich eine Zigarette drehte.
»Was ist in den Karteischränken?« fragte Doyle.
»Man sieht schon, meine Geheimnisse sind keinen Moment sicher, sobald Sie hier sind«, sagte Sparks und zwinkerte Larry zu.
»Das ist das Gehirn«, sagte Larry.
»Das Gehirn?«
»In diesem Schrank befindet sich ein sorgfältig geführtes, detailliertes Kompendium über jeden bekannten Verbrecher in London«, sagte Sparks.
»Ihre Strafakten?«
»Und eine Menge mehr«, sagte Sparks, ohne sein chemisches Experiment zu unterbrechen. »Alter, Geburtstag, Geburtsort, Familiengeschichte, Schul- und Arbeitszeugnisse; bekannte Vorgehensweisen bei Straftaten; bekannte Komplizen, Zellengenossen, Bettgenossen und Behausungen. Körperliche Beschreibung, Decknamen, Festnahmen, Verurteilungen und die abgesessene Zeit. - Sie werden nicht einmal bei Scotland Yard eine enzyklopädischere Sammlung von Informationen finden, die man dazu nutzen kann, Tagediebe aufzuspüren. Und wenn ich so sagen darf, auch in keiner anderen Polizeiorganisation der Welt.«
»Aber gewiß hat die Polizei doch etwas Vergleichbares?«
»Daran hat man noch nicht gedacht. Der Kampf gegen das Verbrechen ist sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft. Die Polizei betreibt ihn wie Fabrikarbeit. Schauen Sie es sich ruhig einmal an.«
Doyle öffnete willkürlich ein Dutzend Schubladen. Sie waren voll mit alphabetisch sortierten Karteikarten. Er nahm eine Karte aus der Lade und stellte überrascht fest, daß sie mit einem unleserlichen, handschriftlichen Gekritzel vollgeschrieben war.
»Aber wie können Sie das lesen?« fragte er.
»Heikle Informationen dieser Art haben ein Recht darauf, kodiert abgefaßt zu sein. Wir wollen doch nicht, daß dieses spezielle Wissen je in falsche Hände gerät, oder?«
Doyle musterte die Karte von allen Seiten. Die hier angewandte Chiffriermethode überstieg alles, was er je zu entziffern versucht hatte.
»Ich nehme an, Sie haben den Kode selbst erfunden«, sagte er.
»Es handelt sich um eine willkürliche Verschmelzung aus mathematischen Formeln, Urdu, Sanskrit und einer obskuren Variante der finnisch-ugrischen Ursprache.«
»Also ist all dies für jedermann völlig nutzlos außer für Sie.«
»Und so soll es auch bleiben, Doyle. Schließlich bin ich keine Leihbibliothek.«
»Und was steht hier drauf?« fragte Doyle und hielt eine Karte hoch, damit Sparks sie sehen konnte.
»Jimmy Malone. Geboren 1855 in Dublin. Schulbesuch: Keiner. Fünftes von fünf Kindern. Vater Bergarbeiter, Mutter Putzfrau. In Irland wegen Raubüberfall und Straßenraub gesucht. Ging mit seinen Brüdern bei einer herumziehenden Bande in die Lehre den Rosties und Fins, im County Cork. Emigrierte 1876 nach Britannien. Erste Festnahme in London; Raubüberfall, 1878. Saß zweieinhalb Jahre in Newgate. Wurde als abgefeimter Verbrecher entlassen und begann als freiberuflicher Räuber. Arbeitet am liebsten mit einem Morgenstern. Verdächtig in wenigstens einem ungeklärten Mordfall. Letzte bekannte Adresse: East End, Adler Street, Ecke Greenfield Road. Größe einsachtzig, Gewicht siebenundsiebzig Kilo, grüne Augen, dünnes sandfarbenes Haar, schütterer Backenbart. Laster: Spielen, Trinken und Prostituierte. Mit anderen Worten: alle. Auch bekannt unter den Namen Jimmy Muldoon und Jimmy der Haken ...«
»Aha«, sagte Doyle und steckte die Karte sorgfältig in die Schublade zurück.
»Der Jimmy«, kicherte Larry kopfschüttelnd. »Was für ʹn blöder Hund.«
»Haben Sie keine Angst, Sie könnten eines Morgens aufwachen und den Übersetzungsschlüssel für all diese Sachen vergessen haben?«
»Sollte mir irgend etwas Unvorhergesehenes zustoßen«, sagte Sparks, »die Dekodierungsformel liegt in einem Schließfach bei Lloydʹs of London zusammen mit der Instruktion, dieses Archiv der Polizei zu übergeben.« Er schüttete ein Gefäß mit einer dampfenden Substanz in einen größeren Behälter. »Was aber nicht zwangsläufig bedeutet, daß die Polizei etwas Nützliches damit anfangen kann.«
»Haben Sie keine Angst, jemand könnte hier einbrechen und alles stehlen?«
»Öffnen Sie die Tür«, sagte Sparks mit vollen Händen und deutete
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