Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
stehen, wärʹ nur gekommen, wenn Sie unerwartet mitten in ʹnem fehlgeleiteten Versuch von uns, bei Ihnen einzubrechen, nach Hause gekommen wärn, oder wenn ich nach der Ausführung eines ähnlichen Verbrechens um Ihre medizinische Hilfe nachgesucht hättʹ. Barry und ich waren armselige Burschen; wir wissen genau, daß keiner mehr dran schuld war als wir selber. Unser Papa war 'n guter, schwer arbeitender Eisenbahner, der so gut für uns gesorgt hat, wie er konnte. Auch wenn er allein war, sein schlimmster Anblick war verdammt viel besser als das meiste, was ich gesehen hab'. Es lag nämlich an der Anstrengung der Zwillingsgeburt. Unsere Mama war nämlich 'n zierliches Persönchen, hat er uns erzählt. Hier, ich hab' 'n Bild von ihr.«
    Larry nahm ein Medaillon aus seiner Weste und öffnete es. Darin befand sich die Fotografie einer jungen Frau: eine verwaschene Nahaufnahme, ihr Haarschnitt seit zwanzig Jahren aus der Mode. Attraktiv auf übliche Ladenmädchenweise, doch selbst die schäbige, verblaßte Qualität des Fotos konnte nicht verhehlen, daß in ihrem Blick das gleiche fröhliche Licht tanzte, das man in den Augen ihrer Söhne erkennen konnte.
    »Sie ist sehr hübsch«, sagte Doyle.
    »Sie hieß Louisa. Louisa May. Auf der Hochzeitsreise warn sie 'n Tag und zwei Nächte in Brighton. Papa hat das Foto am Pier machen lassen.« Larry schloß das Medaillon und schob es in seine Tasche zurück. »Louisa May war siebzehn. Und im gleichen Jahr kamen dann Barry und ich und haben die Party gestört.«
    »Dafür können Sie sich doch nicht die Schuld geben.«
    »Man denkt aber über solche Sachen nach. Ich krieg' nur zusammen, daß Barry und ich irgend 'n unaufhaltbaren Grund hatten, zusammen auf die Welt zu kommen, und dagegen war nix zu machen. Ich möcht' es manchmal Schicksal nennen. Es hat uns unsere Mama gekostet, aber das Leben ist hart und kummervoll und voll mit Schwierigkeiten, und Ihr eigenes is da keine Ausnahme. Wenn unser alter Papa es uns übelgenommen hat, daß er sie verlorn hat, hat er's uns nie gezeigt. Aber weil er immer Eisenbahn fahren mußte und seine paar Verwandten genug mit den eigenen Blagen zu tun hatten und sich um zwei Teufel wie uns nich kümmern konnten, hat es nich lange gedauert, und wir waren auf der schiefen Bahn. Die Schule konnte uns nich halten. Wir warn zwei flinke Jungs, wir haben als Taschendiebe angefangen. Wie viele tausend Mal habʹ ich mich gefragt: Larry, was hat dich und deinen Bruder B in soʹn Leben und ins Verbrecherelend geführt? Nach jahrelangem Nachdenken glaubʹ ich, es warʹn die Schaufenster.«
    »Schaufenster?«
    »Ging man früher in ʹn Laden, wußte man erst, was da verkauft wird, wenn man drinnen war. Geht man heutzutage an ʹnem ordentlichen Geschäft vorbei, liegt das ganze Zeug im Schaufenster, damit man es sehen kann, und zwar das Feinste vom Feinsten. So was verführt einen doch. Wenn man ins Schaufenster kuckt und all die schönen Sachen sieht, die man sich nicht
leisten
kann ... Das hat uns das Genick gebrochen, wie man so sagt. Als wir zehn wurden, hatte die Verlockung, mit Stibitzen Beute zu machen, unsere Fantasie angeregt. Und von dem Tag an haben wir geübt. Es gibt nur wenig Grenzen für zwei emsige Jungs vom Land, die ʹn bißchen was wissen und das brennende Verlangen haben, in der Stadt ihr Glück zu machen, wenn sie sich drauf konzentrieren. Das heißt, bis wir den Meister persönlich kennengelernt haben.«
    »Wie kam es dazu, Larry?«
    Zeus, der die Knochen inzwischen abgenagt hatte, drehte sich zweimal im Kreise und rollte sich unter dem Experimentiertisch zusammen. Mit einem gewaltigen Gähnen legte er den Schädel auf eine Vorderpfote und behielt Larry wachsam im Auge für den Fall, daß er noch andere Leckereien auspackte.
    »Es war spät in der Nacht, gegen drei. Barry war in 'nem Pub - es war kurz nach seiner unglücklichen Begegnung mit dem Fischhändler. Wir hatten uns 'n Bart stehenlassen, um die Narbe zu verdecken. Ich war in 'n Haus in Kensington eingestiegen, um 'n großen Haufen schöner Sachen einzusacken. Wir sind also wieder in unserer Bude und fühlen uns saugut - hinter uns lagen nämlich 'n paar magere Wochen, weil Barrys Wunde erst heilen mußte -, als die Tür auffliegt und dieser Mann vor uns steht: wie der Zorn Gottes, 'n Unbekannter, in jeder Hand 'ne Pistole, was hieß, daß er es ernst meinte. Das Spiel war aus. Ein bißchen Tand isses nicht wert, zu sterben: Unser Motto war, laß dich wegen der Beute nich

Weitere Kostenlose Bücher