Sieg des Herzens
wo Sie sind.« Zu den anderen gewandt, sagte er dann: »Los jetzt, Männer!« Daraufhin drehte er sich zu dem Sanitäter um, der ihn geholt hatte, um ihn zu fragen: »Wie heißen Sie, Mann?«
»Evans, Sir.«
»Gut, Evans, besorgen Sie mir einen Krankenwagen, und bringen Sie ihn so nah wie möglich ans Schlachtfeld, ohne daß man ihn mir in die Luft jagt. Der Rest greift sich irgendein Pferd und folgt mir.«
Als sie bei besagtem Hügel ankamen - ursprünglich friedliches Ackerland, auf dem Weizen angebaut wurde, der sonst goldgelb in der Sonne glänzte -, war dieser nun durch das Schwarzpulver der Geschütze verdunkelt und der Weizen von Schrapnellgeschossen und Kugeln niedergemäht. Nichts schimmerte mehr golden. Die vorherrschende Farbe dieses Tages war Rot: Überall lagen tote und sterbende Soldaten in ihrem Blut - Rebellen und Yankees gleichermaßen.
Nach wie vor schlugen Kanonenkugeln auf dem Feld ein, und hier und da sirrte ihnen auch noch eine Kugel um den Kopf, weil sich das Kampfgeschehen nur ein wenig weiter nach Süden verlagert hatte. Aber Julian und seine freiwilligen Helfer bewegten sich rasch. Als die Verwundeten, die noch bei Bewußtsein waren, sie erkannten, schrien sie laut um Hilfe. Sie rauszuholen war relativ leicht. Aber dann blieb Julian und seinen Helfern nur, die bewußtlosen Überlebenden durch das Fühlen des Pulses unter all den reglosen Körpern zu finden.
Julian hatte sich gerade über einen Rebellen gebeugt, als sich eine Hand um seinen Knöchel schloß. Er blickte zur Seite und sah die blaue Uniform eines Yankees. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. An sich waren keine Kavalleristen an dem Kampf beteiligt gewesen, und doch erschrak er jedesmal, wenn er eine blaue Uniform sah. Er hatte solche Angst, daß sein Bruder unter den Toten oder Verletzten sein könnte.
Es war nicht Ian, aber der Mann war sehr schwer verletzt. »Bitte helfen Sie mir«, flüsterte er.
Julian rief den Freiwilligen, der ihm am nächsten stand, zu sich. Aber der spuckte nur verächtlich auf den Boden und sagte: »Es gibt vielleicht noch mehr Rebellen hier draußen, da werd' ich 'n Teufel tun, so 'nem Yankee-Arsch zu helfen.«
»Doch, das werden Sie, und das ist ein gottverdammter Befehl!« donnerte Julian, womit der Widerstand des Soldaten gebrochen war.
Gemeinsam trugen sie den verletzten Yankee zum Krankenwagen. Dort sagte Evans zu Julian: »Ich will Ihnen da bestimmt nicht vorgreifen, Sir, aber Sie werden dringend im Lazarettzelt gebraucht. Wir kümmern uns schon um die Männer hier draußen.«
Der Mann mit dem Arm in der Schlinge hatte neben Evans gestanden und sagte nun: »Ich bin Captain Bentley, Artillerie, Sir. Ich sorge dafür, daß alle, die noch leben, zu Ihnen gebracht werden - Rebellen und Yankees gleichermaßen.« Dann sah er Julian direkt in die Augen und erklärte ruhig: »Mein Vater kämpft drüben bei den Yankees.«
Julian nickte: »Gut, Captain, ich danke Ihnen. Dann will ich mal zurück an den Operationstisch.«
Als er wieder im Lazarettzelt war, brachte man ihm einen Mann nach dem anderen und schließlich auch den Yankee, den er gerettet hatte. Als er vor ihm lag, lächelte er zu Julian hoch und sagte: »Gütiger Gott, Sie müssen Colonel McKenzies Bruder sein!«
»Ja, Ian ist mein Bruder.«
Der Mann war an drei Stellen getroffen, lächelte aber immer noch, als er hinzufügte: »Sie sind ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, Doktor. Hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?«
»Das höre ich dauernd. Haben Sie meinen Bruder in letzter Zeit gesehen? Ist er...«
»Ja, Sir, er war lebendig wie ein Fisch im Wasser, als ich ihn getroffen habe. Das ist gerade mal ein paar Tage her. Ich bin ehrlich froh, hier bei Ihnen gelandet zu sein, auch wenn mich das zu einem Kriegsgefangenen macht. Ihr Bruder hält große Stücke auf Sie und sagt, Sie seien der beste Chirurg, den man finden kann.«
»Ich tue mein möglichstes.«
Das linke Knie des Mannes, dessen Name Walter Smith war, war völlig zerschmettert. Es sah so übel aus, daß Julian amputieren mußte.
»Ich wünschte, ich hätte eine bessere Mitteilung für Sie«, sagte er zu dem Yankee, »aber ich muß Ihnen das Bein oberhalb des Knies abnehmen. Es gibt keine andere Möglichkeit.«
Der Mann starrte ihn erschrocken an, nickte dann aber, sein Schicksal akzeptierend, und sagte: »Ich weiß, daß Sie nicht amputieren würden, wenn es eine andere Möglichkeit gäbe. Ich habe gehört, daß Sie schon Gliedmaßen gerettet haben, die jeder andere
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