Silberband 008 - Festung Atlantis
dominierende war. Ihr mußten sie sich anpassen, wenn sie weiterhin existieren wollten.
Kontrollschirme leuchteten auf, und Zeiger huschten über beleuchtete Skalen. Irgendwo tief im
Innern des Schiffes summten Aggregate und Reaktoren.
Natürlich war den Fremden ihre Beziehung zum anderen Universum längst bekannt. Alle
organischen Lebewesen der anderen Zeitebene lebten 72000fach schneller als sie. Nur mit Hilfe
komplizierter Apparate und Instrumente konnten sie sichtbar gemacht werden. Das alles erinnerte
an die Technik unvorstellbarer Zeitlupenaufnahmen. Die Filme mußten mit rasender Geschwindigkeit
durch die Kameras laufen, um bei verlangsamter Projektion wenigstens flüchtige Schatten auf die
Bildschirme zu zaubern.
Aber wenn die eigene Welt in die andere Ebene eindrang und wieder zurückkehrte, waren jedesmal
zahllose Organismen eingefangen und unterlagen den Naturgesetzen der eigenen Ebene. Vielleicht
gelang es so, eine Angleichung der beiden Dimensionen zu erzielen.
Gestalten huschten hin und her, sie waren nicht zu erkennen.
Die Schirme unterschieden sich nicht voneinander, zeigten jedoch verschiedene Bilder. Der
erste Schirm links blieb relativ leer. Auf ihm waren ferne Berge in einer weiten Ebene zu sehen,
dazwischen Täler und Flüsse. Der Himmel war bewölkt, und es würde jeden Augenblick anfangen zu
regnen. Im Hintergrund nahe dem Horizont tobte sich ein Gewitter aus. Erste Blitze zuckten aus
den Wolken.
Der zweite Schirm zeigte genau das gleiche Bild, aber er verlangsamte die Vorgänge. Das Wasser
der Bäche schien bereits langsamer zu fließen. Der Bildausschnitt war der gleiche wie zuvor. Er
zeigte die Ebene, den Hang des Gebirges und die Flüsse.
Auf dem dritten Schirm wurde die beginnende Zeitlupe deutlich wirksam.
Der vierte Schirm verlangsamte bereits um die Hälfte.
Auf dem fünften Schirm schlich der Blitz zur Oberfläche hinab, und der Regen fiel, als hingen
die einzelnen Tropfen an unsichtbaren Bindfäden, die jemand nur zögernd nachließ.
Auf dem sechsten Schirm huschten erste Schatten über die gewölbte Scheibe. Da die Bewegung
verlangsamt wurde und nur diese Schatten erkennbar wurden, konnte man sich gut vorstellen, wie
schnell diese Phantome in Wirklichkeit waren.
Erst auf dem zehnten Schirm bewegten sich diese Schatten normal und wurden erkennbar. Aber die
Verlangsamung war in so starkem Maß wirksam, daß alles normale Leben erstarrt zu sein schien. Das
Gewitter und der Blitz glichen einem Gemälde. Der Regen hing wie festgehalten in der Luft, und
die Flüsse schienen eingefroren. Nur die Schatten der Wesen aus einer anderen Dimension bewegten
sich normal.
Fremde Gesichter beugten sich über den zehnten Schirm.
20.
Rous hatte gleich das Gefühl, beobachtet zu werden. Es war ihm unmöglich, das
Gefühl zu erklären, er hatte es einfach und mußte sich damit abfinden. Natürlich war es barer
Unsinn, denn niemand war zu sehen, der ihn hätte beobachten können.
Ragow lachte nicht, als Rous seinen Verdacht äußerte.
»Warum sollten wir nicht beobachtet werden?« fragte er. »Zeugt nicht die bevorstehende Landung
des Schiffes davon? Aber noch wissen wir ja nicht, ob es überhaupt landen will.
Vielleicht …«
»Vielleicht ist es ferngesteuert und soll uns beobachten. Wir kennen zwar die Intelligenzen
der fremden Zeitebene nicht, aber wir sollten sie auch nicht unterschätzen. Mir jedenfalls kommen
die Druuf nicht geheuer vor.«
Sie wanderten durch die Ebene und überquerten den Fluß, der ehemals vor der schwarzen Wand
geflossen war. In der Ferne erkannten sie den Galgenbaum, davor eine bekannte Gestalt –
Josua.
Und in knapp hundert Metern schwebte das Schiff.
Rous schaltete das Armbandfunkgerät ein. »Was ist, Josua? Landet es nicht?«
»Es hat angehalten«, kam die Stimme des Afrikaners. »Es sinkt nicht weiter. Es will also doch
nicht landen. Ob es uns entdeckt hat?«
»Unmöglich! Wir bewegen uns viel zu schnell.«
Rous hatte ein unsicheres Gefühl, als er das sagte. Er war plötzlich nicht mehr so sehr davon
überzeugt, – daß die Druuf sie nicht sehen konnten. Wenn sie ein wenig Ahnung von Technik
hatten – und das mußte der Fall sein, denn sie bauten Raumschiffe –, dann konnte es
ihnen auch gelingen, die Zeitsperre zu durchbrechen.
Sie benötigten fünf Minuten, dann standen sie bei Josua und unter dem reglos über ihnen
schwebenden Schiff.
Rous sah seine Vermutung bestätigt.
»Eine Beobachtungsstation«,
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