Silberband 111 - Geburt einer Dunkelwolke
dass es ihm fast den Atem verschlug.
Die Tiere kamen die Schlucht herauf, und niemand hätte sie zu zählen vermocht. Wenn er auch die kleinsten berücksichtigte, mussten es Millionen sein. Sie bewegten sich in absoluter Stille über den unebenen Boden. Die, deren Beine nicht schnell genug waren, ließen sich von den größeren tragen. Über dem Zug kreisten Vögel und Insekten, Schwärme von winzigen Lebewesen, aber kein einziges Individuum eilte voraus.
»Sie wollen ihn abholen«, vermutete Tekener. »Ich weiß nicht – sollen wir Kihnmyndens Leiche wirklich dieser Meute überlassen? Am Ende fressen sie ihn einfach auf.«
»Ich schätze, Kihnmynden hätte dagegen nicht einmal etwas einzuwenden gehabt«, sagte Jennifer. »Er hat mit ihnen gelebt, und ohne sie hätte er seine Rache nie vollziehen können. Die Tiere und Kihnmynden gehören zusammen. Wir haben kein Recht, uns einzumischen.«
»Dann sollten wir es ihnen wenigstens so leicht wie möglich machen.« Tekener nickte. »Ich habe keine Lust, in einem Gleiter weiterzufliegen, in dem noch alles mögliche Ungeziefer steckt. Ich traue diesen Biestern immer noch nicht.«
Er ging zum Gleiter, trug Kihnmynden vor die Höhle und bettete ihn behutsam in eine Mulde zwischen rund geschliffenen Steinen. Als er sich zurückzog, waren die Tiere schon bis auf etwa zehn Meter herangekommen. Sie legten den Rest der Distanz schnell, aber immer noch stumm zurück.
Schaudernd sah Tekener, wie sich unzählige kleine Insekten auf Kihnmynden niederließen. Es waren Tiere der Art, die ihn und Jennifer bei dem kleinen Bergsee fast umgebracht hätten. Jennifer drehte den Kopf weg, und Tekener schluckte trocken, denn er rechnete damit, binnen kurzer Zeit das präsentiert zu bekommen, was von Kihnmynden nach dem Totenschmaus seiner seltsamen Diener übrig war.
Aber der Schwarm erhob sich, und ein anderer nahm seinen Platz ein.
»Du kannst wieder hinsehen«, sagte Tekener verblüfft. »Sie werden ihn zumindest so lange unberührt lassen, bis alle seine Freunde von ihm Abschied genommen haben. Ich würde gerne erfahren, was sie hinterher mit ihm anstellen, aber ich fürchte, dieses Zeremoniell nimmt zu viel Zeit in Anspruch. Es wird höchste Zeit, dass wir uns auf den Weg machen.«
Sie trafen Ottarsk in dem kleinen Park am Raumhafen von Durgen. Der Arzt war bleich und erschüttert, denn mittlerweile lief die Fahndung nach ihm. Gursc schreckte tatsächlich vor nichts zurück. Er behauptete, dass Ottarsk es gewesen sei, der an der Seite der Terraner kämpfend kaltblütig an die zwanzig Arkoniden ermordet hatte.
»Sie wissen, dass das nicht stimmt«, sagte Ottarsk mit bebender Stimme. »Aber hier auf Durgen würde Ihnen niemand glauben. Gursc hat die Stadt fest in der Hand. Manchmal denke ich, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Ich verstehe nicht, warum dieser Lügner eine so große Macht über die Menschen hat.«
»Er wird bald fallen«, versprach Tekener. »Aber Sie haben recht – Sie sind auf Durgen Ihres Lebens nicht sicher, solange Gursc das Heft in der Hand hält. Ich werde dafür sorgen, dass das nicht so bleibt. In ein paar Wochen wird der Spuk vorbei sein, und Sie können zurückkehren. Bis dahin sollten Sie Urlaub machen – auf einem Planeten, auf dem man die Ziele der GAVÖK ernster nimmt als hier. Sind Sie damit einverstanden?«
»Ich komme nie durch die Kontrollen.«
»Lassen Sie das unsere Sorge sein«, bat Tekener.
Ottarsk zögerte. Doch in seiner wenig beneidenswerten Lage blieb ihm nichts anderes übrig, als sich den beiden Terranern anzuvertrauen.
»Haben Sie Kihnmynden gefunden?«, fragte er etwas später, als alle Vorbereitungen abgeschlossen waren.
Tekener berichtete ihm kurz, wie der Forscher die Zeit im Dschungel verbracht hatte und auf welche Weise er ums Leben gekommen war. Aber nicht einmal Ottarsk gegenüber erwähnte er die Droge und den seltsamen Bericht, durch den Kihnmynden in die Lage versetzt worden war, sich zum Herrscher der Tiere aufzuschwingen. An den Reaktionen des Arztes ließ sich erkennen, dass er Tekeners Taktik durchschaute. Er ahnte, dass es noch ein Geheimnis gab, aber er war klug genug, keine Fragen zu stellen. Aber nach den Horden von Garbesch fragte er, und mit Kihnmyndens Auskunft wusste er ebenfalls nichts anzufangen.
»Es wird Zeit«, sagte Tekener schließlich. »Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen, Ottarsk. Sie werden sehen, dass alles glattgeht. Wenn Sie erst im Schiff sind, kann Ihnen nichts mehr
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