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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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sah Ivor, war auch da; mit weniger Aufsehen, aber ebenso rasch, mit einem breiten, freudigen Lächeln auf dem ehrlichen Gesicht. Die drei vereint. Blond und braun und braun. Die seinen.
    Also würde Tabor morgen in Faelinn weilen. Bei diesem Gedanken schaute er zu Torc hinüber und sah, dass dieser ihm einen Seitenblick zuwarf. Er wurde von dem dunkelhäutigen Mann mit einem Lächeln und einem beruhigenden Kopfnicken bedacht, und dann, zu seiner Überraschung und Freude, mit einem zweiten von dem riesenhaften Davor, der ihnen so viel Glück gebracht hatte. Tabor würde im Hain gut bewacht sein.
    Wieder sah er sich jenseits des Feuerkreises nach Leith um. Und das Herz wollte Ivor aussetzen, als er sah, wie schön sie war, wie wunderschön sie immer noch war, und dann erblickte er die Tränen in ihren Augen. Das jüngste Kind, dachte er, eine Mutter und ihr Jüngstes. Das Bewusstsein der Wunder, der Fremdartigkeit, der ungeheuren Tiefe aller Dinge überwältigte ihn plötzlich. Es erfüllte ihn, es dehnte sich aus in seiner Brust. Er konnte es nicht aufhalten, es war zuviel, viel zuviel.
    Beim Klang einer inneren Musik trat Ivor, der Häuptling, in den inneren Kreis, doch noch nicht so alt, nicht so schrecklich alt, und stellte seine Freude im Tanze dar, seinen Kindern zuliebe, all seinen Kindern.

 
Kapitel 12
     
    Tabor wenigstens war kein Kleinkind. Ivors Sohn, Levons Bruder, er wusste, wo er bei Nacht im Wald ruhen konnte. Er lag an geschützter Stelle, gut versteckt, und konnte sich bei Bedarf leicht davonmachen. Torc gefiel das.
    Er und Davor befanden sich wieder im Faelinnhain. Der Gast hatte überraschenderweise beschlossen, seine Reise nach Süden zu verschieben, um mit ihm zusammen über den Knaben zu wachen. Tabor, dachte Torc, hatte ihn sehr beeindruckt. Das war nicht weiter ungewöhnlich: Auch er mochte den Jungen. Typisch war, dass Torc überhaupt nicht an die Möglichkeit dachte, er selbst könne ein weiterer Grund für Daves Weigerung sein, abzureisen.
    Torc hatte an andere Dinge zu denken. Er war sich sogar mit sich selber uneins gewesen, ob er in jener Nacht begleitet werden wollte. Er hatte sich nach dem Fest auf die Einsamkeit und Dunkelheit gefreut. Zu viel war dort geschehen, und das zu schnell. Zu viele Menschen waren nach Lianes Tanz zu ihm gekommen, um ihn zu umarmen. Und in der Nacht, lange nachdem die Feuer niedergebrannt waren, war Kerrin dal Ragin in das Zimmer geschlüpft, das er auf Levons Drängen hin im Lager genommen hatte. Levon hatte gelächelt, als sie sich darüber unterhielten, und als Kerrin in der Tür erschien, hatte Torc verspätet erkannt, warum. Kerrin war sehr hübsch, und unter den Jägern wurde viel über sie gesprochen; ihr Eintreffen, kichernd und duftend, gehörte nicht zu jenen Dingen, die ein Ausgestoßener gewohnt war.
    Sehr schön war es gewesen, im Grunde mehr als nur schön. Doch was ihrer Ankunft in seinem Bett gefolgt war, ließ keinen Raum für Muße oder Ruhe, damit er über alles nachdenken konnte, was sich ereignet hatte.
    Er hatte das Alleinsein nötig gehabt, aber Davors Gesellschaft war beinahe ebenso gut. Der große Mann machte selbst nicht gern viele Worte, und Torc konnte spüren, dass der Fremde genügend hatte, worüber er nachdenken musste. In jedem Falle waren sie da, um Tabor zu bewachen, und es hätte ihm gar nicht gefallen, allein einem weiteren Urgach gegenüberzutreten. Der Häuptling hatte Davor eine Axt geschenkt – die beste Waffe für einen Mann von seiner Größe, der im Schwertkampf ungeübt war.
    So hatten sich die beiden, diesmal wohl gewappnet, jeder an einem anderen Baum ganz in der Nähe von Tabors Lagerplatz niedergelassen. Die Nacht war mild und angenehm. Torc, nun nicht länger der Ausgestoßene, wie es schien, ließ seine Gedanken in die Vergangenheit schweifen, zu Kerrins hellem, seidigem Haar, zu der Berufung Tabors durch den Gott, der leidenschaftlichen Begeisterung des Stammes über das, was er und Davor vollbracht hatten, hin zu jenem Ruhepunkt, dem Kern aller Dinge, dem Augenblick, für den er die Dunkelheit und die Einsamkeit brauchte.
    Liane hatte ihn geküsst, als ihr Tanz vorüber war.
     
    Dave betastete den Stiel seiner Axt, freute sich, wie gut sie in der Hand lag, wie solide sie sich anfühlte, und stellte zugleich fest, dass ihm sogar der Name gefiel, den sie ihm gegeben hatten.
    Davor. Das hörte sich viel gewaltiger an als Dave. Davor von der Axt. Axtschwinger. Davor dan Ivor – Worauf er innehielt. Vor

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