Silver Moon
nach einer Weile. Ich wurde hellhörig.
»Was? Was musst du tun?«
»Ich kann gar nichts tun! Aber ein anderer könnte diese Bestrafung auf sich nehmen und mich dadurch erlösen!«
Im Nu saß ich aufrecht im Bett. »Wer?« Yuma zuckte mit den Schultern und setzte sich ebenfalls auf. »Im Grunde jeder, der nicht mit mir verwandt ist!« Verwirrt blickte ich ihn an. Ich verstand nicht recht und Yuma suchte nach den richtigen Worten.
»Tunkasila wurde gesagt, dass es möglich wäre, in jeder Vollmondnacht eine Zeremonie durchzuführen, bei der ich von meiner Bürde befreit werden könnte, um danach wieder ganz Mensch sein zu dürfen, Tag und Nacht! Aber dafür brauche ich einen Freiwilligen, der bereit ist, anstatt meiner tagsüber in Wolfsgestalt zu leben, und dieser Freiwillige darf nicht aus meiner Familie stammen, es muss ein Fremder sein! Nun sag mir, wer nimmt eine solche Last auf sich? Niemand! Daher ist es hoffnungslos. Außerdem ist Großvater der Einzige, der eine solche Zeremonie durchführen könnte, und wenn er mal nicht mehr ist, ist alles verloren!«
»Jeder könnte die Strafe auf sich nehmen? Ich praktisch auch?«, hakte ich nach und Yuma runzelte die Stirn. »Du theoretisch auch, praktisch aber nicht! Und bevor du auf weitere dumme Gedanken kommst, lass uns noch ein bisschen kuscheln. Wir haben nur noch eine Stunde, ehe ich wieder zu Sakima werde.«
»Nichts auf dieser Welt ist schöner, als mit dir zu kuscheln, aber kuscheln können wir auch, wenn du wieder plüschig bist – doch reden können wir nur jetzt! Wieso geht es bei mir nur theoretisch?«
»Plüschig«, wiederholte Yuma lächelnd und nahm mich in seine Arme. »Es würde praktisch auch bei dir gehen, aber das würde ich nie zulassen! Meine Großmutter zum Beispiel, sie wollte die Strafe unbedingt auf sich nehmen. Wir hatten ein sehr enges Verhältnis zueinander und für sie war es unerträglich, mich als Wolf zu sehen. Sie kannte die Bedingungen, dass es keiner aus der Familie sein durfte, und trotzdem überredete sie Tunkasila, die Zeremonie auszurichten. Meine Großmutter starb bei dem Versuch! Seitdem ist nichts mehr, wie es war. Vor ihrem Tod hatte ich immer noch Hoffnung gehabt, danach gab ich sie auf.«
»Das tut mir leid. Aber gewiss lag es daran, dass sie mit dir verwandt war, oder? Aber wir sind nicht verwandt!« Yuma lächelte und begann mich zu kitzeln. »Aber wir werden es bald sein, weil ich dich nämlich heiraten werde!« Ich musste laut lachen, weil er nicht von mir abließ und mich ständig weiterkitzelte. Ich hielt seine Hände fest. »Heiraten? Du – mich?«, hakte ich nach.
»Ja, ich – dich! Es tut mir sehr leid, da wir es irgendwann nachts machen müssen, aber ich schwöre dir, dich ein Leben lang zu lieben, am Tage zu beschützen und niemals von deiner Seite zu weichen. Ich wäre dir gerne ein richtiger Mann, rund um die Uhr, aber leider …«, sagte er und wurde dabei immer leiser. Seine Worte umgarnten mein Herz, es schien aus Wachs zu sein und zerschmolz bei jeder weiteren Silbe. Jetzt nahm ich ihn in meine Arme und küsste ihn leidenschaftlich. Wir fielen auf die Kissen zurück und genossen unsere Zweisamkeit. Die Zeit mit ihm war wundervoll, aber die Zeiger der Uhr bewegten sich unaufhaltsam weiter. Viel zu schnell kam der Morgen. Wir lagen uns glücklich in den Armen, und ich wollte noch eins wissen, ehe er wieder zu Sakima wurde.
»Wie ist es auf der anderen Seite? Kannst du dich erinnern? Geht es Eyota gut und … all den anderen?« Dabei musste ich auch an meine Mutter denken, die ich viel zu früh verloren hatte. Yuma bekam einen entspannten Gesichtsausdruck, als er antwortete.
»Es ist schwer zu beschreiben – es ist dort so leicht, einfach schön. Es ist hell und friedlich, es gibt weder Schmerz noch Leid, keinen Hass, keinen Neid. Ich war einfach nur unendlich zufrieden und glücklich, ich wäre sogar am liebsten geblieben, aber ich sah meine Familie weinen. Tunkasila liefen die Tränen wie ein Rinnsal aus seinen Augen, als er mich durch die Black Hills trug. Und sogar mein Vater weinte, ich hatte ihn nie zuvor weinen sehen! Dann ging ich nach Hause zu meiner Mutter. Sie wusste ja noch nicht, was mit mir geschehen war, und dennoch spürte ich ihre Sorgen, die sie sich meinetwegen machte. Ich hörte Großmutter sagen: Hoffentlich ist dem Jungen nichts passiert. Ich konnte Anouk sehen, sie malte gerade ein Bild und sagte: Das ist für Yuma, wenn er wiederkommt … Ich fühlte mich so schuldig. Es
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