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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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»Oh, das war ja wirklich schrecklich.«
    »Aber du lebst noch, oder?« Sie spähte zum Schirm
hinüber, der größtenteils von schwarzen Schlieren
überzogen war: Der Hitzeschild war bei Eintritt in die
Atmosphäre geschmolzen und hatte Streifen auf den
Außenkameras hinterlassen. Während sie unter dem
großen Fallsegel weiter und weiter nach unten glitten, war der
Horizont nur noch als flache blaue Linie zu sehen und der Boden halb
von einem Wolkenschleier verborgen. Ein Höhenmesser zeigte
tickend die letzten zweitausend Meter Abstieg an. »Sagt ja,
falls ihr noch mit den Zehen wackeln könnt.«
    »Ja«, erwiderte Martin, während Wassily nur
stöhnte. Rachel machte sich nicht die Mühe, sich
eingehender nach der Verfassung der beiden zu erkundigen, denn sie
musste vor der Landung noch allzu viel erledigen. Da sie jetzt keinen
Antrieb mehr hatten, konnte sich alles sehr schnell in einen
großen Schlamassel verwandeln.
    Pilot: Gib mir eine grafische Darstellung der Entfernung und
des Kurses bis zum Treffpunkt Omega. Über den Bildschirm
legte sich ein blinkendes Raster. Sie würden verblüffend
nahe am Zielpunkt landen, nur einige Kilometer entfernt. Pilot:
Liefere mir bitte alle Angaben zum Hilfsmotor. Es folgten weitere
Grafiken und Karten zur Analyse und Selbstüberprüfung des
kleinen Motors, den sie zur Landung einsetzen würden. Er war
genau in der Mitte der Takelage zwischen dem quadratischen Fallschirm
und dem Kapseldach befestigt. Ausgelöst durch Radar, würde
die Turbine eine Minute vor Bodenberührung zünden, die
Kapsel abbremsen, sie vor einem selbstmörderischen Absturz bei
fünfzig Stundenkilometern bewahren und für eine weiche
Landung sorgen.
    »Ich könnte was zu trinken gebrauchen«, bemerkte
Martin.
    »Da wirst du dich noch ein, zwei Minuten gedulden
müssen.« Rachel sah angespannt auf den Bildschirm. Noch
tausend Meter.
    »Ich kann meine Zehen nicht mehr spüren«, klagte
Wassily.
    O Scheiße! »Kannst du mit den Zehen
wackeln?«, fragte Rachel, der das Herz plötzlich bis zum
Hals schlug. Sie hatte ja nicht mit einem dritten Passagier
gerechnet. Falls er sich beim Abstieg, den er in der Hängematte
mitgemacht hatte, die Wirbelsäule verletzt hatte…
    »Ja.«
    »Warum, zum Teufel, hast du dann gesagt, du könntest sie
nicht spüren?«
    »Sie sind eiskalt!«
    Rachel gähnte, um den Druck auf den Ohren loszuwerden.
»Ich glaube, wir hatten gerade eine Dekompression. Du musst
deine Zehen wohl auf der Entlüftung gehabt haben.« Der
Außenraum war jetzt in bleichen Nebel getaucht. Nach weiteren
zehn Sekunden verzog sich die zarte Wolke und gab den Blick auf
Bäume und Flüsse frei. Der Boden rückte näher und
näher; es war ein so Schwindel erregender Anblick, dass Rachel
mit den Zähnen knirschte. Martin rutschte hin und her, um besser
sehen zu können.
    »Achtung: Das Landungsfloß bläst sich gleich
auf.« Am Boden der Kapsel entrollte sich eine gelbe
Pythonschlange und blähte sich so auf, dass sie Rachel den Blick
auf den Boden unter ihnen nahm. Während sie angespannt nach
einer Lichtung zwischen den Bäumen Ausschau hielt, fluchte sie
lautlos vor sich hin. Der Baldachin des Waldes war ungewöhnlich
dicht.
    »Da drüben«, sagte Martin.
    »Danke.« Mithilfe des Lenkungshebels dirigierte sie den
Autopiloten zur Lichtung. »Pilot: Landung am vorgesehenen Ort
vorbereiten. Automatische Landevorrichtungen bei Ankunft
aktivieren.«
    »Achtung: Hilfsmotor zündet in fünf Sekunden.
Bodenberührung steht unmittelbar bevor. Noch drei Sekunden bis
zur Zündung. Hauptschirm löst sich jetzt.«
    Die Kapsel sackte plötzlich so ab, dass es einem den Magen
umdrehen konnte. »Motor zündet jetzt.« Als von
oben ein lautes Rumpeln zu hören war, wurde der Sturz der Kapsel
abgebremst. Während die Lichtung näher und näher ins
Blickfeld schlingerte, stieg das Rumpeln zu einem Dröhnen an,
das die Kapsel erzittern ließ. »Achtung:
Bodenberührung in zehn Sekunden. Für die Landung
wappnen.«
    Vor der gläsernen Kapsel teilten sich die Bäume. Sie
hatten makellose grüne Stämme und trugen von purpurroten
Adern durchzogene Blätter, die so groß wie Buchrücken
waren. Martin schnappte nach Luft. Wie in einem gläsernen
Fahrstuhl, der an der Seite eines – unsichtbaren –
Wolkenkratzers zu Boden gleitet, sanken sie stetig weiter nach unten.
Nach einem kurzen Aufprall, der so heftig ausfiel, dass ihnen die
Zähne aufeinander schlugen, blieb die Kapsel schließlich
liegen.
    Schweigen im Walde.
    »He,

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