Sintflut
kamen auf ihrem Gesichte zum Vorschein, ihre Brust wogte ungestüm.
Sie begann mit stockender Stimme alles, was in der Kirche geschehen war, zu erzählen. Dabei rannte sie unruhig im Zimmer umher und wiederholte jede Minute: »Ich bin seiner nicht wert! Ich bin seiner nicht wert!« Sie überhäufte sich mit Vorwürfen dafür, daß sie ihn einst gekränkt hatte, daß sie für ihn nicht beten wollte, während er sein Blut für die heilige Jungfrau und das Vaterland vergoß.
Vergebens bemühte sich Anna, ihr gut zuzureden und sie zu trösten. Sie wiederholte immer dasselbe, daß sie seiner nicht wert sei, daß sie nicht wagen werde, ihm in die Augen zu blicken. Dann wieder begann sie von den Heldentaten Babinicz zu erzählen, von Boguslaw, von Prostki und Wolmontowicze, um sich gleich darauf zu erinnern, daß sie ihre Hartherzigkeit und ihre Sünden ihr Lebelang im Kloster werde büßen müssen.
Als sie noch so miteinander sprachen, kam der Miecznik herein und rief:
»Ganz Upita wälzt sich zu uns. Am Dorfe sind sie schon alle vorübergefahren, und Babinicz ist mit ihnen.«
Wirklich drang von draußen her das Getöse einer vielköpfigen Menge zu ihnen. Der Miecznik nahm Alexandra bei der Hand und ging mit ihr auf die Veranda, Anna folgte ihnen.
Auf dem Hofe standen schon viele Menschen. Bald zeigte sich eine Kalesche, die von Laudaern umringt war. In ihr saßen: Pan Kmicic, Pan Wolodyjowski und Pan Zagloba.
In einiger Entfernung von der Veranda hielt der Wagen an, denn es war des Gedränges wegen nicht möglich, weiter vorzufahren. Zagloba und Wolodyjowski sprangen schnell aus dem Wagen, dann halfen sie Kmicic, indem sie ihn von beiden Seiten stützten.
»Macht Platz!« rief Zagloba.
»Platz machen!« schrieen die Laudaer.
Die Menge ging zurück und ließ einen breiten Gang frei, auf dem die Ritter Kmicic zur Veranda führten. Er wankte, aber er schritt mit erhobenem Kopfe und einem glücklichen Lächeln auf dem Gesichte auf Alexandra zu. Diese hatte sich an den Türpfosten gelehnt, ihre Arme hingen kraftlos hernieder. Aber als er schon nahe war, als sie in das Gesicht des Leidenden blickte, der sich ihr nach so vielen Jahren der Trennung näherte, schnürte sich ihr die Kehle krampfhaft zusammen. Und auch er wußte vor Schwäche, vor Verlegenheit und Freude nicht, was er sagen sollte, und wiederholte mehrmals mit brechender Stimme:
»Nun, was, Alexandra? – Nun, was?«
Plötzlich fiel sie ihm zu Füßen und brach in Schluchzen aus:
»Liebster, ich bin nicht würdig, deine Wunden zu küssen!«
Da mit einem Male kehrten dem erschöpften Ritter seine Kräfte wieder. Er hob das Mädchen von der Erde auf und preßte es an seine Brust.
Donnernde Hochrufe erschollen. Die Laudaer begannen aus ihren Büchsen zu schießen und ihre Mützen hoch in die Luft zu werfen. Ringsum sah man fröhliche Gesichter und glänzende Augen.
Fortwährend ertönten die Rufe:
»Vivat Kmicic! Vivat Panna Billewicz! Es lebe das junge Paar!«
»Es leben zwei junge Paare!« bemühte sich Zagloba die anderen zu überschreien, aber seine Stimme verlor sich in dem allgemeinen Lärm.
Wodokty verwandelte sich in ein wahres Heereslager. Den ganzen Tag lang schlachteten Diener des Pan Miecznik Hammel und Ochsen, andere wieder gruben Fässer mit Bier und Wein aus der Erde heraus.
Am Abend ließen sich alle zu einem Festessen nieder. Überall wurde getafelt, in den Zimmern, auf dem Flur und im Hofe.
Als die Stimmung ihren höchsten Punkt erreicht hatte, brachte Pan Zagloba folgenden Trinkspruch aus:
»An euch wende ich mich, heldenmütiger Pan Andreas, und an dich, alter Freund Michail! Glaubt ihr, ihr habt dem Vaterlande genug gedient, wenn ihr eure Brust den feindlichen Schwertern darbotet? Eure Arbeit ist noch nicht beendet; es genügt nicht, unser Blut dem Vaterlande zu opfern. Während des schweren Krieges ist viel Volk ums Leben gekommen, und an euch ist es, möglichst viel Bürger und Verteidiger der Republik zu erzeugen! Ich hoffe, daß es euch dazu nicht an Lust und Tapferkeit gebricht! Panowie! Ich trinke auf das Wohl der kommenden Generationen! Möge Gott sie segnen. Möge er ihnen helfen, das Erbe, das wir ihnen durch unsere Mühen und unser Blut erworben, unversehrt zu erhalten. Mögen unsere Nachkommen unser gedenken, wenn wieder einmal schwere Zeiten hereinbrechen sollten, daß sie nicht in Verzweiflung geraten; denn es gibt keine Lage, aus der man sich nicht mit Gottes Beistand und Einmütigkeit heraushelfen könnte!«
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