Siras Toten-Zauber
sagen.«
»Ich kenne es.«
»Darf ich trotzdem Stichproben machen?«
»Bitte. Ich warte darauf.«
Sie begann nicht mit seiner Geburt, aber sie kam auf Sukos Vater zu sprechen und erklärte dem Inspektor, daß er auf ihn wahrlich nicht stolz sein konnte.
»Ich kenne die Wahrheit über meinen Vater. Er ist einen anderen Weg gegangen als ich. Und er führte ihn, den Mandarin, ins Verderben. Es ist noch nicht lange her, als ich ihm gegenüberstand.« [1]
»Das lese ich hier auch.«
»Mach weiter.«
»Deine Erziehung fand in einem Kloster statt. Du hast viel gelernt, den Kampf, aber auch die Waffen des Geistes sind bei dir geschärft worden, und man hat sich auch deiner Seele angenommen. Du hättest mehr erreichen können, viel mehr.«
»Ich bin mit meinem Schicksal zufrieden.«
Sira nickte. Sie sprach weiter, las dabei und wiegte zusätzlich den Kopf.
»Was sehe ich hier? Eine dunkle Zeit? Das Schicksal trieb dich nach London, wo du in den Diensten eines Mannes gestanden hast, der kein positiver Mensch war.«
»Es war der Schwarze Drache, ein Gangster!«
»Das lese ich ebenfalls heraus. Aber du hast dich gewandelt, wolltest Gutes tun und bist mit deinem jetzigen Freund und Kollegen John Sinclair zusammengetroffen.«
»Auch das stimmt.«
Sie las weiter und zählte Suko Tatsachen auf, die sie tatsächlich nicht wissen konnte. Einmal zeigte sie sich irritiert, denn die begriffe Erbe und Buddha standen dort.
»Was war mit ihm?«
Suko dachte an seinen Stab und nahm sich vor, ihr nicht zu berichten. Es hätte nur böses Blut gegeben. »Eine Episode, mehr nicht.«
Sira schien ihm nicht zu glauben. Ihr Blick jedenfalls war skeptisch genug geworden.
Suko wollte sie ablenken und sagte: »Kannst du noch mehr auf dem Blatt erkennen?«
»Ja.«
»Dann lies weiter. So verlangt es die Regel doch. Du hast sie mir selbst berichtet.«
»Natürlich.« Sie las und lachte. »Was ist mit deiner Partnerin Shao, die du kennengelernt hast?«
Suko schluckte. Er hatte mit dieser oder einer ähnlichen Frage gerechnet, war trotzdem überrascht, daß sie gestellt wurde und wischte mit dem Handrücken über die Stirn. »Sie… sie war…«
»Jedenfalls ist sie nicht mehr bei dir. Und sie befindet sich in einer Ferne, an die du nicht herankommen kannst. Das ist richtig, was ich hier lese.«
»Es stimmt.«
Sira schaute über das Blatt hinweg in Sukos Gesicht. »Ob du sie je wiedersehen wirst und ob ihr zusammenbleiben werdet, kann ich dir möglicherweise gleich sagen.«
»Ich hoffe darauf.«
Sira berichtete aus seinem Leben und sprach auch von der Gefahr, die wie eine stetige Glocke über Sukos Kopf schwebte. Und davon, daß er ihr wohl nie entrinnen konnte, bis zu seinem Lebensende. Dann steckte sie das erste Palmenblatt weg.
»Stimmt alles, was ich gelesen habe?«
Suko nickte. »Ja, es stimmt. Über Einzelheiten brauchen wir uns nicht zu streiten, aber die großen Dinge sind auf diesem Blatt tatsächlich alle erfaßt worden.«
Sie lächelte wieder. »Und jetzt wartest du auf das zweite, nicht wahr? Auf die Zukunft, auf das Datum deines Todes, das du an sich schon wissen müßtest, denn ich sage dir, daß es der heutige Tag sein wird.«
Suko kam sich in diesen langen Minuten vor wie ein Bittsteller, der vom Gönner immer weiter hingehalten wird. Deshalb auch ihre Frage. »Bist du bereit?«
Er nickte.
Sira vertauschte die Blätter. Suko verfolgte jede ihrer Bewegungen. Nichts sollte ihm entgehen, er war aufgeregt, er tänzelte und schluckte. Dann hielt sie das Blatt hoch. Zuerst ließ sie Suko darauf schauen und drehte ihm auch die beschriftete Seite zu.
Es traf den Inspektor wie ein Hammerschlag, und er verlor schlagartig die Farbe.
Auch Sira hatte es bemerkt. »Was hast du?« fragte sie.
»Das Blatt«, flüsterte Suko. »Es ist nur das Blatt, mehr nicht, wirklich, Sira.«
Etwas anderes hatte er nicht antworten können. Die beschriftete Seite hatte bei ihm die Hoffnung aufflammen lassen, weil sie eben sehr dicht beschrieben worden war.
Wenn Suko so gut wie keine Zukunft gehabt hätte, so wären große Lücken zu sehen gewesen.
Hatte Sira sich geirrt?
Zum erstenmal sah er so etwas wie Nervosität bei ihr. »Stimmt was nicht, Suko?«
»Für mich ist es gut, glaube ich.«
Sie starrte ihn böse durch die dicke Scheibe an, dann drehte sie das Blatt herum, las — und wankte zurück. Es sah so aus, als würde sie stolpern und zu Boden fallen. Sie riß den Mund auf, brüllte schrecklich, aber Suko schrie dagegen
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