So muss die Welt enden
Georges Spermatiden sehnten sich nach dem Südpol und der Kraft, die sie, wie sie wußten, dort finden konnten.
Am Tisch der Verteidigung hielten Bonenfant, Dennie und Parkman sich an den Händen.
Richterin Jefferson holte die Walbeinbrille aus der ARES-Montur und setzte sie auf die Nase. Sie breitete die Unterlagen vor sich aus und suchte ein Papier hervor.
»Ich will mit der Feststellung anfangen, daß nach Meinung des Tribunals die Doktrin der militärischen Abschreckung ihre Wirksamkeit, Glaubwürdigkeit und Gültigkeit behält.«
Ein überlautes, spontanes »NEIN!« donnerte aus dem Publikum. Die Richterin drosch ihren Hammer auf den Richtertisch, daß die Eissplitter nur so umherstoben.
»Obwohl man unter der letzten Regierung der Vereinigten Staaten an ihr mehrere kritikwürdige Abwandlungen vornahm, ließ sich der Doktrin der militärischen Abschreckung soviel Beweglichkeit zusprechen, daß sie sowohl Argumente für eine Aufstockung des amerikanischen Atomwaffenbestands wie auch für eine Reduzierung lieferte.«
Auf Dennies unglaublich schönem Gesicht erschien plötzlich ein Lächeln.
»Ist ja toll!« entfuhr es Wengernook.
»Kameraden, wir haben es durchgestanden«, sagte Henker.
»Alles was sie wollten«, sagte Overwhite, »war eine Erklärung.«
»Wir stimmen Mister Bonenfants Auffassung zu, daß die militärische Abschreckung hätte beibehalten werden können, bis die Atommächte es überdrüssig geworden wären, ihre sinnlosen Arsenale zu warten und sie schließlich verschrottet hätten«, sagte Shawna Queen Jefferson. »Und wir sind der gleichen Meinung wie der Angeklagte Randstable, daß nämlich die Sprengköpfe möglicherweise durch eine Art von technischer Evolution abgeschafft worden sein könnten.«
Erst nachdem das Aufstöhnen und die Pfiffe des Publikums verstummt waren, sprach die Richterin weiter.
»In seinem Schlußplädoyer hat der Verteidiger uns mit einer entscheidenden Frage konfrontiert: Was hätten wir an der Stelle seiner Mandanten getan? Eine berechtigte Frage. Eine quälende Frage… Es ist sonderbar, aber Mister Aquinas hat einen Fehler begangen, als er die Modelle der Waffensysteme als Beweismaterial der Anklage präsentierte. Denn wir mußten an uns beobachten, daß von einer derartigen Technik, ob sie nun aus Eis geformt ist oder aus Metall besteht, eine furchtbare Faszination ausgeht. Wie wir uns eingestehen mußten, hätten wir gesagt: ›Ja, gebt uns diese sinnlich-beschwingten Raketen, diese stählernen Schiffe, diese wunderbaren Flugzeuge und so intelligenten Sprengköpfe. Gebt sie uns, und wir haben die Gewißheit, daß niemand es wagt, uns anzugreifen.‹ Also hätten auch wir in vollem Umfang und voller Stärke die Triade der Landesverteidigung gehabt.«
Randstable und Wengernook hoben einander den emporgestreckten Daumen entgegen. Overwhite und Sparren überwanden ihre Meinungsverschiedenheit über STIRB II und schlossen sich in die Arme. Henker hielt George seine knochige Rechte hin; George drückte die Hand.
Dann nahm Shawna Queen Jefferson, nachdem sie einen Schluck Kakao getrunken hatte, die Brille ab und legte sie mit einem hörbaren Klack auf den Richtertisch. »Aber nicht wir vier Richterinnen und Richter sind es, über die hier ein Urteil zu fällen ist«, sagte sie rasch und in markigem Ton. »Vielmehr sind es die sechs Angeklagten«, konstatierte sie und fügte halblaut hinzu: »Gott sei Dank.«
Sie schlug die Lincoln-Biografie auf, befeuchtete mit der rosa Zunge ihren schwarzen Daumen, blätterte mehrere Seiten um. »Abraham Lincoln hat am ersten Dezember 1862 in einer Mitteilung an den Kongreß der Vereinigten Staaten geschrieben: ›Die Dogmen der beschaulichen Vergangenheit sind unbrauchbar in der stürmischen Gegenwart. Bei den heutigen Ereignissen türmen sich die Schwierigkeiten hoch empor, und wir müssen an den Umständen wachsen, um die Schwierigkeiten zu meistern. Weil unsere Sache neu ist, müssen wir auf neue Art denken und auf neue Weise handeln. Wir müssen uns vom Alten lösen…‹« Sie knallte das Buch zu. »Meine Herren Angeklagten, Sie wissen so gut wie ich, daß die große Menge der dem Gericht beigebrachten Aufzeichnungen nur eine Interpretation erlaubt. Es ist wahr, daß Ihre Verbrechen den äußerlichen Schein der Legalität haben. Es stimmt, daß Sie sie unter Umständen verübt haben, die es Ihnen erschwerten, dabei die Einsicht zu gewinnen, unrecht zu tun. Auch ist es wahr, daß Sie bemüht gewesen sind, die
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