So unerreichbar nah
fertigbringen, innerhalb von zwei Stunden meine Wohnung in ein
Schlachtfeld zu verwandeln, hatte ich nicht einkalkuliert. Tims Kriegsbemalung
wurde mit meinen Chanel-Lippenstiften und -Lidschatten kreiert!«
Hilflos zuckte
sie mit den Achseln.
»Ich muss die
Nudeln kochen, die Tomatensoße würzen und den Salat richten, habe aber keine
ruhige Minute, weil ich ständig mit halbem Ohr lausche, was sie jetzt wieder
anstellen.«
Insgeheim war
ich fasziniert davon, dass ausgerechnet Lisa, die grundsätzlich alles im Griff
hatte, sich von zwei kleinen Kindern innerhalb von achtundvierzig Stunden so
aus der Fassung bringen ließ. Meiner Meinung nach ging es bei ihr in der
Agentur täglich wesentlich chaotischer zu.
»Du solltest
dringend eine Antistress-Therapie in Erwägung ziehen. Ich kenne da eine gute
Praxis mit fähigen Therapeuten…« frotzelte ich boshaft, ergänzte dann aber in
normalem Tonfall:
»Was hältst
du davon, wenn ich die Bande mit zu mir nehme? Du kannst in aller Ruhe kochen.
Wenn du fertig bist, rufst du an und wir kommen zum Essen hoch.«
Ich hoffte,
die Kinder würden mich als Übergangs-Babysitter akzeptieren, denn mein Plan sah
vor, dass ich meiner Freundin und ihrem Liebsten wenigstens eine ungestörte
Stunde an diesem Wochenende verschaffte. Wo bitte blieb mein Heiligenschein für
diese Selbstlosigkeit?
Ich überging
Lisas halbherzigen Protest und marschierte ins Wohnzimmer. Lucas erklärte
Johanna gerade, dass er sich von ihr leider nicht frisieren lassen könne, da er
Tim versprochen habe, mit ihm eine Parkgarage für seine Autos aus Lisas CD-Sammlung
zu bauen.
Glücklicherweise
hatten sie noch nicht damit begonnen, Lisas sorgfältig nach Genres und
Interpreten sortierte Musikabteilung auseinanderzunehmen.
Ich klatschte
fröhlich in die Hände, kam mir vor wie eine Animateurin im Club Med und verkündete:
»So, ihr
Lieben. Was haltet ihr von einem Ortswechsel?«
Ich lächelte
die Kinder freundlich an.
»Ihr könnt meine
Wohnung anschauen. Ich habe Kekse und Saft für euch, und Tim darf mit meinen
Büchern ein Parkhaus bauen, während ich mich von Johanna frisieren lasse. Wenn
Lisa und Lucas das Essen fertig haben, kommen wir wieder.«
Ich hatte die
Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall ohne den Patenonkel, gemacht. Lucas nahm
seine Aufsichtspflicht sehr ernst.
Er sah
hocherfreut in meine Richtung, packte die Kinder rechts und links an der Hand
und kommandierte:
»Prima Idee,
wir erobern Tessas Wohnung.«
Uups, so war
das aber nicht angedacht gewesen! Beim Gedanken daran, mich mit Lucas zusammen,
aber ohne Lisa in meiner Wohnung aufzuhalten, wurde mir abwechselnd heiß und
kalt. Die lieben Kleinen holten mich schnell auf den Boden der Tatsachen
zurück. Sie waren Feuer und Flamme für einen Ortswechsel. Ich würde keine
Sekunde allein mit ihm sein. Und auch keine Sekunde Zeit haben, ihn
anzuschmachten, da diese beiden Energiebündel seine und meine volle
Aufmerksamkeit einforderten. Um Lisa den chaotischen Anblick ihres Wohnzimmers
zu ersparen, erklärte ich, wir könnten bei mir weiterspielen, wenn sie ihr
Spielzeug mitnähmen. Der Trick funktionierte. In Windeseile sammelte Johanna
ihre Barbie-Armee samt Zubehör und Tim seinen kompletten Fuhrpark ein, beide
verstauten das Spielzeug in die dazugehörigen Taschen und waren abmarschbereit.
Jetzt musste Lisa nur noch ihre Decken wieder an Ort und Stelle zurück bringen
und das Wohnzimmer hatte seinen gewohnten sterilen Charme wiedergewonnen.
Lisa
verabschiedete uns - sichtlich erleichtert und offensichtlich keineswegs böse
darüber, dass auch ihr großes Kind mit zu mir wollte - fröhlich winkend an
ihrer Tür.
»Ich rufe an,
wenn das Essen soweit ist.«
Lucas warf
ihr vom Treppenabsatz aus eine Kusshand zu.
Ich will
auch einen Luftkuss von dir. Oder besser noch einen echten!
Weil er aber
unmittelbar darauf fröhlich auf mich herablächelte, verflog meine kindische
Eifersüchtelei rasch. Lucas mit den Kindern zu beobachten, bedeutete die helle
Freude für mich. Er hatte es echt drauf, auf die beiden einzugehen. Männer, die
mit Kindern gut umgehen konnten, hatten bei mir schon immer einen Stein im
Brett gehabt. Wahrscheinlich deshalb, weil ich unbedingt einmal selbst mehrere
Kinder haben wollte, mir dazu aber einen Vater wünschte, der sich nicht nur
hinter seiner Arbeit verschanzte, sondern für seinen Nachwuchs da war.
Lucas
kommt aus den bekannten Gründen für diese Rolle allerdings nicht infrage , rief ich mich selbst
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