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So weit der Wind uns traegt

So weit der Wind uns traegt

Titel: So weit der Wind uns traegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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prickeln, und sie bekam plötzlich Angst. Sie hatte gehofft, sie würde Robert heute nicht sehen. Ihre gereizten Nerven mussten sich unbedingt erholen, bevor sie morgen mit ihm ausging.
    Wahrscheinlich hätte es doch nichts geholfen, dachte sie kläglich. Robert stahl sich sowohl in ihre Gedanken als auch in ihre Träume.
    Nachdem der Fischer gegangen war, sah sie auf. Robert stellte sich gerade Virgil vor, der sich gut an ihn erinnerte. Er trug Jeans und ein lockeres weißes Baumwollhemd. Eine graugrüne Baseballmütze bedeckte sein dunkles Haar. In der Hand hielt er eine teure Sonnenbrille. Das Blut rauschte bei seinem Anblick in Evies Adern. Selbst in dieser Freizeitkleidung wirkte Robert äußerst elegant und gefährlich.
    Als er ihren Arm berührte, hatte sie das Gefühl, einen winzigen elektrischen Schlag zu bekommen. „Ich möchte ein bisschen mit dem Boot hinausfahren und mir den Fluss näher ansehen“, erklärte er.
    Robert will also nicht den ganzen Nachmittag bei mir auf der Marina verbringen, stellte Evie ebenso erleichtert wie enttäuscht fest. „Hast du schon einen Führer?“
    „Nein. Die Fahrrinne ist doch gekennzeichnet, nicht wahr?“
    „Ja, natürlich. Du wirst keine Schwierigkeiten bekommen, solange du die Rinne nicht verlässt. Ich gebe dir eine Wasserkarte mit.“
    „In Ordnung.“ Nachdenklich sah Robert zu Virgil hinüber. „Hätten Sie Lust, mir den See zu zeigen, Mr. Dodd? Oder haben Sie andere Pläne?“
    Virgil strahlte über das ganze Gesicht. „Ich und Pläne? Ich bin dreiundneunzig Jahre alt. Wer würde in meinem Alter noch Pläne schmieden? Ich kann jeden Moment tot umfallen.“
    Robert lachte vergnügt. „Dieses Risiko gehe ich ein, falls Sie es ebenfalls wagen.“
    Virgil stemmte sich aus dem Schaukelstuhl. „Wissen Sie was, mein Sohn? Diese Gelegenheit, noch einmal in ein Boot zu steigen, lasse ich mir nicht entgehen. Ich werde mir alle Mühe geben, dass Sie anschließend nicht den Leichenbestatter holen müssen.“
    „Abgemacht.“
    Lächelnd schüttelte Evie den Kopf. Es wäre sinnlos, Virgil den Plan ausreden zu wollen. Außerdem gönnte sie dem alten Mann das Vergnügen, etwas Zeit auf seinem geliebten Fluss zu verbringen. Gewiss steuerte Robert das Boot ebenso geschickt, wie er alles andere tat. Wie hatte er so schnell erraten, dass Virgil furchtbar gern noch einmal aufs Wasser wollte?
    „Seid bitte vorsichtig, alle beide“, bat sie. „Vergessen Sie Ihre Mütze nicht, Virgil.“
    „Bestimmt nicht“, antwortete er. „Meinst du, ich bin so dumm, ohne Kopfbedeckung nach draußen zu gehen?“
    „Ich hole das Boot her“, schlug Robert vor. Evie war ihm dankbar, dass er Virgil den langen Weg zum Liegeplatz ersparte. Er ging zur Tür, hielt inne und kehrte noch einmal zurück. „Ich habe etwas vergessen.“
    „Und was?“
    Behutsam umfasste er ihr Kinn, beugte sich hinab und küsste sie. Es war kein leidenschaftlicher Kuss, eher ein freundschaftlicher. Trotzdem pochte Evies Herz, als er den Kopf wieder hob. „Das hier“, murmelte er.
    Sie hörte Virgils brüchiges Lachen und bemerkte die neugierigen Blicke zweier Kunden, die bei den Haken und Ködern stöberten. Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit, und sie beschäftigte sich rasch mit einigen Unterlagen.
    Virgil tätschelte ihren Arm. Trotz der Last seiner mehr als neunzig Jahre war er immer noch größer als sie. „Ich habe gehört, dass sich der junge Mann hier vorgestern sehr nützlich gemacht hat“, sagte er.
    „Ja. Ohne ihn wären Jason und ich wahrscheinlich ertrunken“, antwortete Evie.
    „Er verliert keine Zeit, nicht wahr?“
    Wieder errötete sie und scheuchte Virgil hinaus. Weshalb hatte Robert sie vor allen Leuten geküsst? Sie war sicher gewesen, dass er seine Zuneigung niemals öffentlich zeigen würde.
    Durch das Fenster beobachtete sie, wie er das schnittige Boot zum Anleger steuerte. Mit der Sonnenbrille vor den Augen wirkte er unnahbar und gefährlich. Plötzlich wurde ihr klar, wie wenig sie über diesen Robert Cannon wusste. Womit verdiente er seinen Lebensunterhalt? Er musste ziemlich reich sein, wenn er sich ein neues Haus, ein neues Boot und einen neuen Jeep leisten konnte.
    Woher stammte er? War er schon einmal verheiratet gewesen? Oder war er auch jetzt verheiratet und hatte Kinder? Ein Schauder durchrieselte Evie bei dem Gedanken an alles, wovon sie keine Ahnung hatte.
    Andererseits kannte sie Robert inzwischen auch ziemlich gut. Er war kühl und kompliziert und entschlossen,

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