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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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und versank in Melancholie. Es stimmte ja, Anne hatte sich in all den Jahren so sehr um mich gekümmert, war ich es ihr da nicht schuldig, eine gute Tochter zu sein, über die sie sich freuen konnte, die sie zum Strahlen brachte, sobald sie sie nur sah?
    Eindeutig, es war meine schwächste Phase seit langem. Dieser läppische Streit warf mich um, dabei hatten wir schon unzählige von dieser Sorte ausgetragen. Ich hätte davon irgendwo auf meiner Seele Hornhaut haben müssen. Doch ich fühlte mich einsam wie ewig nicht und unverstanden und irgendwie wie ausgespuckt. Dazu noch absolut ratlos, wie es weitergehen sollte. Kurz gesagt: Ich war völlig im Eimer.
    Als ich dann Isabelle kommen sah, verließ mich auch noch das letzte bisschen Kraft, mit dem ich mich irgendwie aufrecht gehalten hatte. Ich sank regelrecht in mich zusammen, als hätte mir jemand die Muskeln aus dem Leib gezogen. Ich heulte Sturzbäche, konnte mich gar nicht wieder beruhigen, bekam auch kein einziges Wort heraus, um Isabelle zu erklären, was mit mir los war. Ich wusste das ja selbst nicht, hatte so etwas noch nie erlebt.
    Heute würde ich sagen: ganz klar, ein Nervenzusammenbruch. Sonst brachten Tränen immer Erleichterung, ich fühlte mich hinterher besser, diesmal war es anders. Immer wenn ich dachte, ich könnte aufhören, die Tränen versiegten, schüttelte mich auf einmal eine neue Heulattacke. Ich konnte überhaupt nichts steuern. Dann meldete
sich auch noch mein Magen, drückte seinen Inhalt nach oben, bis ich ihn auf dem Boden vor mir sehen konnte. Aber selbst das war nicht das Ende.
    Am nächsten Tag musste ich das Bett hüten, ein Magen-Darm-Virus, dachte jetzt auch Anne. Blöd nur, dass der sich von da an alle drei Wochen aufs Neue einstellte. Ich kotzte mir die Seele aus dem Leib, sah im Gesicht aus wie eine Kalkwand und nahm in den folgenden Monaten fünf Kilo ab, was bei meiner Gestalt ziemlich viel ist. Übel war mir auch an den Tagen dazwischen, eigentlich wachte ich jeden Morgen auf und fühlte mich schlecht. Und das fast ein Jahr lang. Wenn es schlimmer wurde, also im Schnitt alle drei Wochen, ging ich zu meiner Hausärztin, ohne dass sie herausfand, was mir fehlte. Ein Virus, war ihre häufigste Erklärung, ohne ihn konkretisieren zu können, was mir einleuchtete, da Tausende von Viren unterwegs sind, die einen krank machen können. Davon besserte sich mein Zustand nur auch nicht. Nach einem Jahr schickte mich die Ärztin zu einer Magenspiegelung. Dabei wurden ein paar fiese Bakterien gefunden, die sich in meinem Magen eingenistet und eine Schleimhautentzündung hervorgerufen hatten. Nicht viele, aber die wenigen konnten auch Schaden anrichten. Ich musste drei Wochen Antibiotika schlucken, danach noch ein anderes Medikament. Es ging mir besser, geheilt war ich noch nicht. Also zum nächsten Arzt, der als Erstes wissen wollte, ob ich magersüchtig sei, womit er bei mir gleich unten durch war. Ich aß häufig zu wenig, aber bestimmt nicht mit Absicht, weil ich mich zu fett fühlte. Danach wandte ich mich noch an einen dritten Mediziner. Dieser verschrieb mir wieder Tabletten, andere diesmal, und ich musste sie über einen längeren
Zeitraum einnehmen. Das Entscheidende aber hatte ich inzwischen selbst erkannt: Es war der Stress, der mich krank gemacht hatte. Nicht die Arbeit in den verschiedenen Schülervertretungen allein und nicht nur die ewige Zankerei mit Anne und Baba, schuld war alles zusammen, das ganze große Bündel, das ich mit mir herumschleppte.
    Ob ich wollte oder nicht, ich musste einen Weg finden, mit all dem besser klarzukommen. Es war unerträglich, immer als die undankbare Tochter gesehen zu werden. Aber genau dieses Gefühl vermittelte mir Anne, sobald wir uns in die Haare kriegten. Sie schrie mich an, und ihre Worte hallten tausendfach in meinem Kopf wider, verfolgten mich, ich hörte sie Stunden später noch.
    Wäre es eine Lösung, von zu Hause auszuziehen? Ich dachte ernsthaft darüber nach. Mir fehlte die Hoffnung, dass sich etwas ändern würde, dass Anne und Baba jemals toleranter würden, dass nicht jeder Schritt, den ich alleine gehen wollte, immer in einen Kampf mit ihnen ausarten würde.
    Doch, ich wollte weg. Ich musste weg. Nur, wie sollte ich das anstellen? Ein Mitschüler von mir war mithilfe des Jugendamtes in einer betreuten WG untergekommen. Sollte ich zum Jugendamt gehen? Was sollte ich denen erzählen? Ich wurde weder geschlagen noch vernachlässigt. War es nicht vielmehr ein Problem, das

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