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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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ich mir selbst zuzuschreiben hatte? Weil ich unbedingt anders sein wollte?
    Doch wenn ich ehrlich zu mir war, musste ich mir eingestehen, dass ich Anne und Baba liebte wie niemanden sonst auf der Welt, trotz alledem. Und der Gedanke, ihnen wehzutun, indem ich mich aus dem Staub machte…- nein, ihnen noch mehr Sorgen bereiten, das war das Letzte, was ich wollte.

    Ich blieb.
    Es änderte sich nicht schlagartig etwas. Schließlich konnte ich meine ehrenamtlichen Jobs nicht mitten im Schuljahr hinschmeißen. Und meinen Ehrgeiz konnte ich auch nicht einfach so abstreifen. Erst mal versuchte ich, etwas gelassener an die Aufgaben heranzugehen. Außerdem hörte ich mehr auf meinen Körper. Na ja, eigentlich nur auf meinen Magen. Der wurde so etwas wie eine Alarmanlage für mich. Wenn ich morgens wach wurde und merkte, mir war übel, wusste ich:
    Melda, du musst mehr schlafen!
    Melda, du musst regelmäßiger essen!
    Und, Melda, du musst dein Arbeitspensum reduzieren!
    Vorher hatte ich mich auch dann in die Schule geschleppt, wenn es mir dreckig ging. Ich hatte keinen Termin bei den Schülervertretungen versäumt. Selbst als ich Fieber hatte, redete ich mir ein, ich dürfte nicht fehlen. Das ließ ich nun bleiben. Ich wusste jetzt, wann ich besser ins Bett gehörte.
    Auch zu Hause mit Anne und Baba war es eher ein schleichender Prozess. Wahrscheinlich begann es damit, dass ich manchem Streit von vornherein aus dem Weg ging. Falls es doch wieder krachte, legte ich nicht jedes Wort, das in der Aufregung fiel, auf die Goldwaage. Ich versuchte, Auseinandersetzungen abzuhaken, sobald sie vorbei waren, und schleppte nicht jede stundenlang mit mir herum, spielte sie im Geiste nicht noch hundertmal durch, wie ich das vorher gemacht hatte. Ich zermarterte mir nicht wegen jeder Kleinigkeit das Gehirn.
    Aber es wäre ungerecht zu behaupten, dass nur ich mich veränderte. Auch mit Anne und Baba vollzog sich eine
Wandlung. Sie reagierten nicht mehr bei jeder Sache, die ihnen nicht passte, so verbohrt. Sie ließen die Zügel lockerer. Nach sechs Uhr abends noch aus dem Haus gehen war irgendwann kein Diskussionsthema mehr. Wobei ich mich immer noch frage, ob sie einsahen, dass sie es mit ihren Einschränkungen übertrieben hatten, ob nun aus Fürsorge oder Ängstlichkeit oder was weiß ich, oder ob sie es leid geworden waren, sich jedes Mal wieder mit meinem Dickschädel anzulegen. Eines Tages werde ich sie danach fragen, aber noch sind wir nicht so weit.
    Ich denke, es half auch, dass ich in der Zwischenzeit achtzehn wurde. Obwohl das in türkischen Familien nicht unbedingt viel heißen muss. Man gilt in der Türkei zwar mit achtzehn, genau wie in Deutschland, laut Gesetz als volljährig, mit allen Rechten und Pflichten, die sich daraus ergeben. Innerfamiliär jedoch wird man oft, besonders als Tochter, erst mit der Hochzeit als volljährig anerkannt. Was einfach daran liegt, dass viele Eltern immer noch voraussetzen, dass ihre Töchter erst mit der Hochzeit das Haus verlassen, wie es seit jeher Tradition ist.
    In diesem Punkt waren Anne und Baba zum Glück etwas fortschrittlicher. Sie erlaubten mir sogar, eine Party zu veranstalten. Nicht bei uns zu Hause, das hätten sie niemals gestattet. Doch der Zufall wollte es, dass meine Cousine Deniz an dem betreffenden Wochenende nach Istanbul flog und mir ihre Wohnung überließ. Ein bisschen geflunkert habe ich natürlich auch. Ich konnte ihnen ja schlecht sagen, was an diesem Abend, in dieser Nacht wirklich abgehen sollte. Ich erzählte einfach, ich würde mit ein paar Freundinnen feiern. Zu meiner Verwunderung fragten sie nicht weiter nach. Ich denke, in dem Moment zwangen sie sich, möglichst coole
Eltern abzugeben. Wahrscheinlich beruhigte sie auch, dass Tayfun versprach, er würde den Aufpasser spielen. Ein großer Bruder kann manchmal ein Segen sein.
    Ich will nicht jede Einzelheit verraten, nur so viel: Hundertfünfzig Leute in einer Zweizimmerwohnung, und jeder von ihnen brachte ein Getränk mit. Gegen zwei Uhr morgens rückte die Polizei an, gleich mit drei Mannschaftswagen, als hätte jemand eine kleine Straßenschlacht gemeldet. Dabei waren wir nur laut und hatten die Fenster aufgerissen, weil bei den Massen der Sauerstoff echt knapp wurde. Aber dass die Polizei aufkreuzte, war wichtig. Eine Party ist nur dann gut, wenn die Leute ausgelassen feiern und sich um sonst nichts scheren. Und wenn sie das machen, rückt irgendwann immer die Polizei an. Das ist ungefähr so, als würde

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