So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock
einem die Stiftung Warentest das Prädikat »Sehr gut« verleihen.
Tayfun empfing die Beamten auf seine sympathischste Art, mit der er fast jeden rumkriegt. Am Ende lachten sie sogar - und zogen ab. Wir mussten nur die Fenster schließen. Mein Brüderchen machte an diesem Tag irgendwie alles richtig. Schon, dass er sich Babas Auto geliehen hatte, war clever gedacht gewesen. Sonst wären unsere Eltern garantiert irgendwann in der Nacht angetanzt und hätten den Schock ihres Lebens gekriegt. Auch als sie ab Mitternacht ständig auf seinem Handy anriefen, reagierte er geschickt - nämlich gar nicht. Wir konnten bis morgens um fünf ungestört feiern, schöner hätte ich mir meinen achtzehnten Geburtstag nicht vorstellen können.
Damit wäre ich in der Gegenwart angekommen. Wie steht es heute zwischen uns? Schwer zu sagen. Anne und Baba
gestehen mir mehr Freiheiten zu, aber längst nicht so viele wie die Eltern meiner Freundinnen. Am Wochenende bei einer von ihnen zu übernachten ist inzwischen ohne große Diskussionen machbar. Da frage ich auch gar nicht mehr, ich sage einfach nur Bescheid. Ich kann sogar mal an einem Wochentag erst gegen zehn Uhr abends nach Hause kommen, ohne dass sie daraus ein Drama machen. Gern sehen sie das zwar nicht, auch wegen der Schule, aber sie schlucken es. Kurze Kleider oder Röcke lehnen sie nach wie vor ab, mit dem Unterschied, dass sie genau wissen, dass ich sie trotzdem anziehe. Auch auf das Thema Jungs reagiert Baba wie gehabt allergisch. Wenn es irgendwie geht, vermeide ich es, mit ihm darüber zu sprechen. Anne fragt schon mal, wenn ich irgendwohin gehe, ob Jungs dabei sein werden. Meistens antworte ich ehrlich, und das nimmt sie dann so hin. Alkohol, Tanzen und Sex allerdings sind weiterhin absolute No-gos. Jedes für sich ist in ihren Augen eine große Sünde, alle zusammen praktisch unverzeihlich.
Was mir aufgefallen ist: Seit ich an dem Buch sitze, hat sich ihre Toleranz noch einmal spürbar erhöht. Entweder, weil sie im Moment ihren Kopf mit eigenen Problemen voll haben. Baba hat Ärger in seinem Job, und Anne überlegt, sich vielleicht selbständig zu machen. Es könnte aber auch daran liegen, dass ich ihnen gesagt habe, dass sie eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen, also zwangsläufig auch in dem Buch auftauchen werden und nicht eben als Randfiguren. Anfangs waren sie begeistert, als ich ihnen erzählte, was ich vorhabe, und posaunten es überall herum. Was mich gleich ein bisschen wunderte. Bis mir aufging, dass sie sich inhaltlich etwas ganz anderes vorstellten. Als die ersten Umschlagentwürfe vom Verlag eintrudelten,
begannen die Diskussionen. Den Untertitel »Mein Leben zwischen Moschee und Minirock« fanden sie zu negativ. Sie meinten, dadurch würden die Moscheen verunglimpft, und ich stünde so da, als würde ich nur schlimme Sachen anstellen. Die Leute, die uns nicht kennen, würden denken, meine Eltern hätten mich eingesperrt, und ich würde jetzt ausbrechen wollen. Ich dachte nur: gut erkannt, schwieg aber.
Ich bin gespannt, wie sie reagieren werden, wenn sie erst den ganzen Text in die Hände bekommen. Aber das ist das Tolle an unserer Familie: Langweilig wird es nie.
5.
Habe Mut!
Manchmal erweisen sich Sachen, die man völlig ungeplant in Angriff nimmt, als die besten. Man hegt keine großen Erwartungen und ist dann ziemlich baff, was sich daraus doch entwickelt. Genauso verhielt es sich, als ich letztes Jahr beschloss, in den Sommerferien ein Praktikum zu absolvieren. Erst mal war da nur eine spontane Idee. Ich dachte, es könnte nicht schaden, irgendwo reinzuschnuppern, idealerweise für zwei Wochen, so wären die Ferien noch lang genug. Da mich Jura und Politik am meisten interessieren, zog ich ein Anwaltsbüro in Betracht und den Bundestag, obwohl ich keine Vorstellung hatte, wie man das anstellt. Im Grunde war es mir auch ziemlich gleichgültig, wo ich letztlich landen würde, Hauptsache, ich erlebte etwas anderes als Schule.
So ungefähr schilderte ich das Ganze auch Tante Zeynep, als wir mal wieder zusammensaßen. Bestimmt erwähnte ich bereits, dass in ihrem Freundeskreis Politik eine wichtige Rolle spielt. Sie ist mit einem der Sprecher des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg zusammen, ist dort selbst auch Mitglied, da geht das gar nicht anders. Der Geschäftsführer des Türkischen Bundes wiederum ist gleichzeitig Bundesvorsitzender
der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Den kennt sie auch schon lange. Ich will jetzt nichts
Weitere Kostenlose Bücher