So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock
eigentlichen Problematik zu beschäftigen. Und damit das Baby auch einen Namen bekam, nannten wir unser Projekt »Let’s organize somethin’«. Ist nicht auf meinem Mist gewachsen, war Hacers Idee. Ich fand sie ziemlich genial. Da lag Schwung drin.
Bei Kenan Kolat kam unser Konzept auf jeden Fall schon mal super an. Als wir es ihm vorstellten, saß ein Journalist der türkischen Zeitung Hürriyet mit im Raum, angeblich rein zufällig. Rein zufällig schoss er auch gleich noch ein Foto von Hacer und mir, das wir dann am nächsten Tag in seiner Zeitung wiederfanden. Aber das war erst der Anfang, es wurde immer aufregender.
Als Nächstes kündigte sich hoher Besuch bei der Türkischen Gemeinde an. Kenan Kolat meinte, jemand vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge käme, es ginge um Fördergelder. Bei der Gelegenheit würde er auch gleich für uns einen Termin organisieren. Schön und gut, doch weder Hacer noch ich hatte jemals von diesem Amt gehört. Hoffentlich machte das nichts.
Der Tag kam, und auf einmal saßen wir sogar einer
Staatsministerin der Bundesregierung gegenüber, Maria Böhmer, Mitglied des Bundestags und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Nicht, dass ich das in dem Moment gewusst hätte, das habe ich erst später gegoogelt. Muss ich daran erinnern, dass ich zu diesem Zeitpunkt siebzehn war, ein türkisches Mädchen, das in seiner kleinen überschaubaren Welt lebte, eine ganz normale Berliner Schülerin? Und sie war eine Staatsministerin, die ihr Dienstbüro direkt im Kanzleramt hatte. Aber ihre Visitenkarte hätte ich schon gern mal gesehen. Bei den langen Titeln, mit denen sie sich schmücken darf, muss die Karte doch so groß sein wie ein Blatt meines Tagebuchs.
Neben Frau Böhmer waren noch andere Frauen erschienen, komischerweise saßen nur Frauen da, aber sie war die mächtigste unter ihnen. Hacer und ich kamen nicht gleich dran, sodass ich Zeit hatte, sie mir genauer anzuschauen. Ich meine, wann kommt man einer hochrangigen Politikerin schon mal so nah? Irgendwie erinnerte sie mich an Angela Merkel. Ihre Frisur, die Körperstatur, der Hosenanzug, alles ziemlich ähnlich. Vielleicht geht sie zum gleichen Friseur. Und vielleicht gibt es im Kanzleramt so etwas wie eine Kleiderkammer für Dienstbekleidung, in der sich alle bedienen können. Könnte doch sein.
Dann waren wir an der Reihe. Obwohl wir uns nicht groß vorbereitet hatten - uns hatte ja niemand gewarnt, was, oder besser: wer uns hier erwarten würde -, lief es glänzend. Alle schienen begeistert. Zum ersten Mal war ich den Lehrern in der Schule dankbar, dass sie uns so oft mit Referaten malträtiert hatten. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde. Doch die Übung zahlte sich jetzt aus.
Wir gaben unsere Vorstellung mehr oder weniger aus dem Stegreif. Anfangs waren wir noch aufgeregt, nach ein paar Sätzen aber ganz bei der Sache. Die Frauen drückten uns zwar nicht gleich einen dicken Scheck in die Hand, aber sie versprachen, sich noch einmal gründlich mit unserem Projekt zu befassen. Wochen, nein, Monate später machten sie tatsächlich Geld locker. Andernfalls wäre unser Vorhaben auch gescheitert gewesen, bevor es überhaupt richtig begonnen hätte.
Natürlich konnte ich es kaum erwarten, zu Hause von unserem triumphalen Auftritt zu berichten. Immerhin besaßen wir dadurch einen direkten Draht ins Bundeskanzleramt, na ja, jedenfalls so ungefähr. Während Tante Zeynep sich freute, dass wir mit unserer Idee gut angekommen waren, bremste Baba gleich wieder meine Euphorie. Er fragte: »Warum machst du das?« Ich kenne Baba inund auswendig, an seinem Tonfall erkannte ich, dass er eigentlich meinte: Wie kannst du so was nur machen? Ihm hatte schon nicht gepasst, dass ich das Praktikum angegangen war. Natürlich, weil dabei wieder kein Geld zu verdienen war. Aber das schien nur ein Vorwand gewesen zu sein. Denn selbst jetzt, als uns eine Bezahlung in Aussicht gestellt wurde, redete er dagegen. Tante Zeynep meinte, es ginge ihm gar nicht ums Geld, wahrscheinlich fürchte er vielmehr, seine kleine Tochter könnte zu selbständig werden. Mmh, daran wird er sich wohl gewöhnen müssen.
Unser Projekt war nicht mehr aufzuhalten. Das wollte auch keiner, abgesehen vielleicht von Baba, aber der zählte ausnahmsweise nicht. Es war sogar so, dass es manchen anscheinend nicht schnell genug gehen konnte, die Sache ins Rollen zu bringen. Noch im Sommer, lange bevor die
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